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Interview

Yung FSK18 – ein Gespräch über Widersprüche

"Wenn ihr es nicht auf die Rei­he kriegt, zuzu­hö­ren, wenn ich was Frei­zü­gi­ges anha­be, ver­su­che ich es noch mal mit kla­re­ren Wor­ten und füh­le mich manch­mal in Baggy-​Pants und Bom­ber­ja­cke woh­ler." – Yung FSK18 im Inter­view über die Wider­sprü­che zwi­schen der Außen- und Selbst­wahr­neh­mung als Künstlerin.

Für Frau­en gel­ten im Rap ande­re Maß­stä­be. Das ist nichts Neu­es: Die Musik von weib­li­chen MCs wird schnell mit den Stem­peln "Hei­li­ge" oder "H*re" ver­se­hen. Beson­ders im Atzen-​Rap, in dem es viel um Exzess, Dro­gen und Party-​Eskapismus geht, wer­den Frau­en, die die­se The­men auf­grei­fen, auf ihre Weib­lich­keit und ihre Musik auf ein miso­gy­nes Bran­ding redu­ziert. Das sei­en dann "Por­nor­ap­pe­rin­nen". Die Musik wird dann nicht mehr als eine wahr­ge­nom­men, die vol­ler Wider­sprü­che ist. Eine Rap­pe­rin, die oft die­sen Stem­pel erhält, ist Yung FSK18. Dabei erzählt die Rap­pe­rin aus Hal­le an der Saa­le in ihren Tracks an vie­len Stel­len unge­schönt vom eige­nen Welt­schmerz, der Suche nach ihrem Platz in der Welt und den Schat­ten­sei­ten des Exzes­ses. Des­we­gen woll­ten wir mit Yung FSK18 über die­se Wider­sprü­che sprechen.

MZEE​.com​: Heu­te soll es um Wider­sprü­che gehen. Wel­che Wider­sprü­che beglei­ten dich denn in dei­ner Musik und dei­nem Alltag?

Yung FSK18: Ich fin­de die Fra­ge tat­säch­lich super, weil Wider­sprü­che etwas sind, was mich in mei­nen Song­tex­ten extrem beschäf­tigt. Das Leben ist ein­fach schei­ße kom­pli­ziert. Ein Wider­spruch, der mir da direkt ein­fällt, ist: Es macht viel Spaß, sich sexy anzu­zie­hen, Auf­merk­sam­keit zu bekom­men und etwas zu machen, was ande­ren gefällt.

MZEE​.com​: Aber?

Yung FSK18: Man­che Leu­te ver­ste­hen das als Frei­brief oder als Ein­la­dung. Ihre Reak­tio­nen sug­ge­rie­ren, dass wenn eine Frau sich so anzieht, bedeu­te das auto­ma­tisch, sie wol­le ange­macht wer­den und Sex haben. Das hat vie­le Nach­tei­le und ist beschis­sen. Es ist scha­de, dass – auch wenn man die freie Ent­schei­dung trifft, etwas zu tun, wor­an man Spaß hat – man dafür dann vie­le nega­ti­ve Reak­tio­nen bekommt. Die möch­te man nicht haben und die sucht man sich nicht aus. Es macht Spaß, sexy zu sein, aber es macht kei­nen Spaß, unfrei­wil­lig objek­ti­fi­ziert oder sogar ent­mensch­licht zu werden.

MZEE​.com​: Hat­test du, bevor du ange­fan­gen hast zu rap­pen, Angst vor sol­chen Reaktionen?

Yung FSK18: Nein, tat­säch­lich nicht. Ich kann nicht genau sagen, wor­an das liegt, dass ich da viel­leicht manch­mal naiv war oder ein­fach sehr angst- und schmerz­frei. Ich dach­te mir oft, dass ich natür­lich weiß, dass vie­le Leu­te und vie­le Män­ner schei­ße sind. Ich möch­te trotz­dem machen, was ich will. Auch, wenn ich dann mit Beläs­ti­gung oder Shit­s­torms rech­nen kann. Am Anfang hab' ich gar nicht drü­ber nach­ge­dacht, weil ich nie so ein "Frau­en dür­fen das nicht"-Mindset hat­te. Was das angeht, hat­te ich eine ganz gute Erzie­hung. Ich habe gelernt, dass der weib­li­che Kör­per nichts ist, wofür man sich schä­men muss. Ich bin natür­lich nicht in irgend­ei­ner Uto­pie oder einem Par­al­lel­uni­ver­sum auf­ge­wach­sen, in dem es kei­ne Geschlech­ter­ste­reo­ty­pe und kei­nen Sexis­mus gibt. Doch ich habe nicht bei­gebracht bekom­men, dass der weib­li­che Kör­per irgend­was Schmut­zi­ges oder Böses ist, was man ver­ste­cken muss oder was Män­nern Sex sug­ge­riert oder sie ver­führt. Bis auf, dass mei­ne Baby­sit­te­rin ein­mal zu mir mein­te, ich sol­le nicht so tan­zen wie Brit­ney Spears, das wür­den Män­ner falsch ver­ste­hen – da war ich drei! Das ist eine mei­ner frühs­ten Erinnerungen.

MZEE​.com: In einem Inter­view im Pod­cast von Edgar Ein­fühl­sam hast du einen schö­nen Satz gesagt. Und zwar: "Das Leben ist halt wider­sprüch­lich. Es ist schwie­rig, sich als Mensch, als Frau, als Rap­pe­rin in der Welt zurecht­zu­fin­den." – Was meinst du damit?

Yung FSK18: (über­legt) Neben dem, was ich schon gesagt habe, ist ein wei­te­rer Wider­spruch, dass es Spaß macht, 'ne Par­ty­maus zu sein und sich die Näch­te um die Ohren zu schla­gen, aber Dro­gen­miss­brauch defi­ni­tiv sehr vie­le Risi­ken mit sich bringt. Dro­gen sind böse. Wenn Leu­te sel­ber noch nie mit psy­chi­schen Pro­ble­men oder mit Sucht­pro­ble­men zu tun hat­ten und das in deren Freun­des­kreis kei­ne Rol­le spielt, kön­nen die sich sehr glück­lich schät­zen. Aber selbst die erle­ben das mit. Allei­ne durch den Alko­hol­miss­brauch, der in unse­rer Gesell­schaft zur Kul­tur gehört und nor­mal ist. Selbst die­se Leu­te haben schon mal erlebt, wie es ist, wenn man eine Alko­hol­ver­gif­tung hat, kot­zen muss oder einen schlim­men Kater hat, am nächs­ten Tag alles schwarz sieht und infra­ge stellt. Ein­fach, weil das auf die Stim­mung schlägt. Das beschäf­tigt mich. Ich will Dro­gen nicht ver­teu­feln. Rausch­erleb­nis­se kön­nen extrem viel Spaß machen, gemein­schafts­stif­tend und berei­chernd sein. Aber Dro­gen­kon­sum kann halt auch töd­lich enden. Das ist was, wor­über man auf­klä­ren soll­te. Damit die Leu­te dann bewuss­te Ent­schei­dun­gen tref­fen und zum Bei­spiel Safer Use betrei­ben und bes­ser auf sich und ihre Freund:innen auf­pas­sen. Ist halt nicht alles nur Spaß.

MZEE​.com: Das kommt ja auch in dei­ner Musik vor. Es geht zwar viel um Sex, Hedo­nis­mus und Par­ty­ex­zes­se, aber gleich­zei­tig zeigst du immer wie­der die Schat­ten­sei­ten und dunk­len Gefüh­le, die zu so einem Leben dazu­ge­hö­ren. Wie sind sie dir aufgefallen?

Yung FSK18: Ich glau­be, dass die Schat­ten­sei­ten zum Leben und zum Mensch­sein von Anfang an dazu­ge­hö­ren. Selbst, wenn in dei­ner Kind­heit alles per­fekt läuft, aber beson­ders, wenn man fami­liä­re Pro­ble­me hat. Das ist in uns allen drin, dass man nicht nur glück­lich ist. Angst, Wut und Aggres­sio­nen: Das sind Gefüh­le und Trie­be, die in den Men­schen ein­fach von Grund auf ange­legt sind. Damit muss jeder umge­hen. Wenn man jetzt nicht in einer kom­plet­ten Traum­welt lebt, dann kriegt man das von Anfang an mit. Zumal gesell­schaft­li­cher Druck, Geld­sor­gen und Unge­rech­tig­keit es ja nicht bes­ser machen.

MZEE​.com: Wo in dei­ner Musik machst du sol­che Kon­tras­te aus Eman­zi­pa­ti­on und per­sön­li­chen und gesell­schaft­li­chen Abgrün­den auf? Wo sieht man Widersprüche?

Yung FSK18: Ich ver­su­che das sowohl in mei­nen Tex­ten als auch in mei­nen Vide­os. Die Beats und die Musik­pro­duk­ti­on sind nicht von mir, son­dern kom­men meis­tens von Rat­ten­jun­ge oder manch­mal von ande­ren Kolleg:innen. Ich pro­du­zie­re nicht selbst, aber bei den Tex­ten, die ich kom­plett im Allein­gang schrei­be, und den Vide­os, die ich in 99 % der Fäl­le mit­kon­zi­pie­re und an deren Umset­zung ich immer betei­ligt bin, oft auch was den Schnitt und die Effek­te angeht, spielt das eine sehr gro­ße Rol­le. Mir ist das wich­tig, weil ich es ger­ne hät­te, dass es die­se auf­klä­re­ri­schen Aspek­te gibt. Also, wenn ich dar­über rap­pe, dass Dro­gen­miss­brauch auf Par­tys Spaß machen kann, dass ich dann auch sage, dass das auch ris­kant ist. Auch, wenn es nur der Kater ist und nichts Schlim­me­res. Oder wenn ich mich hübsch und sexy in Vide­os zei­ge, dass ich auch mal häss­li­che Sei­ten von mir durch­bli­cken las­se, weil ich eben nicht nur eine Bad­die bin, son­dern vor allem ein Mensch: kein Objekt, kein Pro­dukt, kei­ne Kunst­fi­gur. Das ver­su­che ich, text­lich zu ver­ar­bei­ten, indem ich im sel­ben Song sowohl die eine als auch die ande­re Sei­te expli­zit erwäh­ne. Auch, wenn ich weiß, dass man nicht immer alle Facet­ten eines The­mas in einem Song erwäh­nen kann, weil du es den Leu­ten dann zu schwer machst. Man muss auch mal beim The­ma blei­ben. Aber ich ver­su­che zum Bei­spiel, wenn ich einen Party-​Track mache, in dem es dar­um geht, ein­fach eine gute Zeit zu haben, trotz­dem durch die Kon­no­ta­ti­on durch­bli­cken zu las­sen, dass auch ich schon die Nach­tei­le davon erfah­ren habe und mich selbst davon abge­fuckt füh­le. Ich behal­te im Hin­ter­kopf, dass ich zwar gera­de eine gute Zeit habe, aber auf­pas­sen muss, weil ich weiß, dass es böse enden kann, wenn man das nicht tut. Selbst, wenn man auf­passt, heißt das nicht, dass man das Gan­ze jemals kom­plett unter Kon­trol­le hät­te. Sucht ist der Teu­fel – die sagt dir ja, es wäre schon ok, "nur ein­mal noch".

MZEE​.com: Hast du schon mal über­legt, ganz auf Dro­gen zu verzichten?

Yung FSK18: Ich habe auf jeden Fall schon dar­über nach­ge­dacht, ob man nicht ins­ge­samt glück­li­cher ist, wenn man nie extre­me Highs und Lows durch Dro­gen erfährt. Gera­de, wenn man es schon, seit man ein Kind ist, mit psy­chi­schen Pro­ble­men zu tun hat. Die Highs wer­den auf Dau­er ja nicht nur gei­ler, zum Bei­spiel wenn Leu­te mit der Zeit einen Sucht­druck ent­wi­ckeln. Irgend­wann willst du nur noch die­ses Sucht­ge­fühl befrie­di­gen und hast selbst, wenn du drauf bist, nicht mehr so eine gute Zeit. Ich wür­de defi­ni­tiv sagen, dass ich eine Per­son bin, die ein gro­ßes Bedürf­nis nach inten­si­ven Erleb­nis­sen hat. Aber ich habe eben auch die Nach­tei­le erlebt und auch schon Freun­de ver­lo­ren. Des­we­gen habe ich schon gemerkt: Das ist es ein­fach nicht wert. Das mei­ne ich, wenn ich sage, ich fän­de es gut, wenn man in den Tex­ten auch die Schat­ten­sei­ten erwäh­nen wür­de und ver­su­chen wür­de auf­zu­klä­ren, ohne dass ich damit Par­tys und Dro­gen­kon­sum irgend­wie kom­plett ver­teu­feln oder ver­ur­tei­len möch­te. Alle sol­len machen, wie sie Bock haben. Aber über­leg es dir, und du kannst es dir nur über­le­gen, wenn du die nöti­gen Infor­ma­tio­nen dazu hast. Wenn alle Rapper:innen immer nur die posi­ti­ven Sei­ten beto­nen, fehlt den Fans oder auch ande­ren Rapper:innen in der Musik­sze­ne der Anstoß, mal zu sagen, dass wir eigent­lich alle wis­sen, dass es eben die­se Schat­ten­sei­ten gibt. Ich sehe jedoch viel in der Musik­sze­ne, dass Rapper:innen, die stark mit ihrem Dro­gen­pro­blem con­nec­ted sind und damit iden­ti­fi­ziert wer­den, so wie T-​Low zum Bei­spiel, kei­ne pure Ver­herr­li­chung betrei­ben. Auch die spre­chen über die Schat­ten­sei­ten. Aber ich weiß nicht, ob Musik über­haupt geeig­net ist, so erns­te The­men sach­lich rüber­zu­brin­gen, ohne sie dabei zu romantisieren.

MZEE​.com: Hast du das Gefühl, dass sich da was in der Rap­sze­ne tut?

Yung FSK18: Mein Ein­druck ist, dass in der Rap­sze­ne in Deutsch­land neben Alko­hol mitt­ler­wei­le mehr har­te Dro­gen wie Koks, Opi­ate und Ben­zos im Umlauf und The­ma der Songs sind, als das noch vor zehn Jah­ren der Fall war. Oder viel­leicht habe ich das, als ich jün­ger war, bloß nicht so stark mit­be­kom­men. Jeden­falls ist das echt beschis­sen und des­we­gen fin­de ich es wich­tig, dar­über zu reden. Damit ich sozu­sa­gen auch mei­nen klei­nen Bei­trag leis­te und den Leu­ten einen Anstoß gebe. Mei­ne Mes­sa­ge ist dabei: Seid ehr­lich zu euch sel­ber und über­legt euch, ob ihr da Bock drauf habt, oder lasst es lie­ber einfach.

MZEE​.com: Das letz­te Jahr, 2023, war das Jahr des Atzen-​Raps. Tief­bass­kom­man­do, Sho­ki oder Ikki­mel sind immer mehr im musi­ka­li­schen Main­stream ange­kom­men. Vie­le fei­ern zum Bei­spiel auf Tik­Tok vor allem den Dro­gen­kon­sum, den die Musik ver­kör­pert. Was denkst du über die­se Entwicklung?

Yung FSK18: Auch das ist wider­sprüch­lich. (lacht) Einer­seits fin­de ich, dass so eine Art von Rap ein­fach sehr viel Spaß macht. Ich rap­pe ja auch, weil Rap oft so was Puber­tä­res hat. Man kann Sachen, die ver­meint­lich böse oder ver­bo­ten sind, ein­fach raus­schrei­en. So schön in die Fres­se. Das fin­de ich gut so. Ich bin über­haupt kein Fan davon, jeman­dem vor­zu­schrei­ben, was er oder sie zu rap­pen und wel­che Wör­ter man zu benut­zen hat. Wenn Leu­te aber zum Bei­spiel sexis­ti­sche Tex­te raus­hau­en und sich wie so oft her­aus­stellt, dass die auch im ech­ten Leben Sexis­ten sind, oder dass sie nichts dage­gen machen, wenn ande­re Män­ner eklig und gewalt­tä­tig wer­den, ist das schei­ße. Artists, bei denen es viel um Dro­gen­miss­brauch und Abge­fuckt­heit geht, wür­de ich nicht die Ver­ant­wor­tung dafür geben, dass sie ande­re damit zu irgend­was anstif­ten. Doch zu sagen, das sei alles iro­nisch, eine Kunst­fi­gur, Sati­re und gesell­schafts­kri­tisch, ist was, das ich frag­lich fin­de. Ich glau­be, das macht den Reiz an der Musik aus: Manch­mal ist es über­trie­ben, damit es beson­ders krass klingt. Manch­mal kommt es aber so hef­tig und über­zeu­gend rüber, weil man weiß, da ist schon mehr als ein Fun­ken Wahr­heit dran. Das macht das Gan­ze ja erst so real und inter­es­sant, aber gleich­zei­tig eben auch trau­rig. Das ist manch­mal was, wo ich dann über­le­gen muss: Geht's euch noch gut? Ich mei­ne das nicht im beson­de­ren Bezug auf die genann­ten Kol­le­gen, son­dern gene­rell auf die Rap­sze­ne bezo­gen. Bestimmt haben sich das auch schon Leu­te gefragt, die sich mei­ne Musik ange­hört haben. Mit The­men wie Sex, Par­tys und Dro­gen, die ich selbst in mei­ner Musik bedie­ne und stark bedient habe, hab' ich teil­wei­se auch Sachen ver­herr­licht, weil es sich in dem Moment cool ange­hört hat, Spaß gemacht hat und ein guter Party-​Track bei rum­kam. So was ver­kauft sich auch gut.

MZEE​.com: Du hast gera­de in Bezug auf dei­ne Musik in der Ver­gan­gen­heit gespro­chen. Hat sich dein Anspruch an dich selbst verändert?

Yung FSK18: Ich habe ent­schie­den, dass ich mich mit dro­gen­ver­herr­li­chen­den Party-​Tracks allein aktu­ell nicht wohl­füh­le. Auch, wenn ich weiß, dass das die Tracks sind, die mir Spaß machen und sich bes­ser ver­kau­fen. Doch die Wider­sprü­che, die sich da auf­ma­chen, sind etwas, was ich nicht igno­rie­ren kann und will, son­dern etwas, was ich span­nend fin­de und womit ich sel­ber pri­vat mei­nen Umgang fin­den möch­te. Weil ich klar­kom­men möch­te. Weil ich nicht nur eine gute Rap­pe­rin sein will, son­dern eben auch ein gutes Leben füh­ren und ande­ren nichts vor­ma­chen will. Mir ist es des­we­gen auch wich­tig, da dran­zu­blei­ben, und des­we­gen habe ich die­ser Art von Atzen-​Rap sel­ber ein biss­chen abge­schwo­ren. Ich will auch nicht behaup­ten, dass Leu­te nicht auch ein­fach bei­des kön­nen: "In die Fresse"-Texte machen, wenn es um Dro­gen­kon­sum geht, aber pri­vat trotz­dem voll klar­kom­men. Das ist ja nicht kom­plett unmög­lich. Aber für mich ist das was, wo ich sagen muss, dass mei­ne Musik und mei­ne Tex­te zu sehr mit mei­nem per­sön­li­chen Den­ken Hand in Hand gehen. Die sind mit mei­nem Leben so ver­bun­den, dass es für mich kei­ne Opti­on ist, eine Kunst­fi­gur zu sein und die von mir abzugrenzen.

MZEE​.com: Inwie­fern?

Yung FSK18: Also, ich fin­de es geil, die sexy Maus zu sein und zu wis­sen, dass Leu­ten das gefällt oder dass ande­re Frau­en sich dadurch empowered füh­len, sie sich dann auch sexy Out­fits anzie­hen und ihren Spaß haben. Man muss sich aber ein­ge­ste­hen, dass wir nicht nur in unse­rer sex­po­si­ti­ven Feminismus-​Blase leben, son­dern ich bekom­me halt auch viel Hate ab. Ich habe nicht mehr nur Bock, Tracks zu machen, die da so eine Angriffs­flä­che bie­ten. Nicht, weil ich klein bei­gebe oder Schiss habe oder so. Aber da bin ich auch ein­fach ehr­lich: Das ist natür­lich die Welt, in der wir leben und wie ich damit umge­he. Ich mer­ke zwar, dass ich vie­le Frau­en erreicht habe, die einen ähn­li­chen Life­style haben wie ich. Mitt­ler­wei­le habe ich eine grö­ße­re weib­li­che Fan­ba­se. Die ver­ste­hen mei­ne Musik genau so, wie sie gemeint ist. Aber ich mer­ke auch, ich kann Män­ner, die die­se sexis­ti­sche Den­ke drin­nen haben, auch nicht zum Umden­ken bewe­gen. Son­dern die sind wei­ter­hin so "Frau im knap­pen Out­fit bedeu­tet Sex" und schi­cken unge­fragt Dick­pics oder beläs­ti­gen dich ander­wei­tig. Ich habe kei­nen päd­ago­gi­schen Anspruch, bei dem ich mir den­ken wür­de, ich könn­te jetzt die gan­zen sexis­ti­schen Macker auf­klä­ren. Aber ich den­ke mir schon, wenn ihr es nicht auf die Rei­he kriegt, mir zuzu­hö­ren, wenn ich was Frei­zü­gi­ges anha­be, weil ihr dann so abge­lenkt seid und denkt "Sex, Sex, Sex", dann ver­su­che ich es noch mal mit ein biss­chen kla­re­ren Wor­ten und füh­le mich manch­mal in Baggy-​Pants und Bom­ber­ja­cke ein­fach woh­ler. Süß und sexy, aggro und abge­fuckt – das schließt sich für mich nicht gegen­sei­tig aus und fin­det alles par­al­lel zuein­an­der statt. Bei dem einen Track mach' ich so und bei dem ande­ren so. Ich bin zwar eine Rap­pe­rin und das ist natür­lich teil­wei­se durch­ge­stylt und ästhe­ti­siert. Aber auch ich bin ein ech­ter Mensch mit ver­schie­de­nen Sei­ten. Frau­en sind halt auch Men­schen, die unter­schied­li­che Facet­ten haben, und für die meis­ten bin ich ja immer noch ein­fach eine Frem­de. Aber man­che den­ken, weil sie in 'nem Musik­vi­deo mei­nen Arsch nackt gese­hen haben, dass wir jetzt ver­lobt sind. Ganz so ist es ja nicht. (lacht)

MZEE​.com: Du hast ja gesagt, dass Frau­en sich durch dei­ne Musik empowered füh­len. Dei­ne Musik wird oft als sex­po­si­tiv und empowernd gela­belt. Was hältst du von sol­chen Labels?

Yung FSK18: Also ich glau­be, das Label ist ein­mal gut, weil mit den Wor­ten, die da aktu­ell so im Trend sind, "sex­po­si­tiv" und "empowered", schon rüber­kommt, wen ich ger­ne errei­chen möch­te, und das zeigt, dass mei­ne Musik den Leu­ten Spaß machen soll. Aber auch bei die­sem The­ma gibt es einen Wider­spruch. Sex ist geil und kann viel Spaß machen, und je weni­ger tabui­siert das ist, des­to bes­ser.  Doch genau­so wie bei der Dro­gen­pro­ble­ma­tik sehe ich auch bei Sex, dass der gefähr­lich sein kann. Gera­de als Frau: Du machst dich auf eine Art und Wei­se angreif­bar und lei­der leben wir halt noch nicht in der befrei­ten Gesell­schaft, wo alle respekt­voll mit­ein­an­der umge­hen und alle wis­sen, dass Sex immer kon­sen­su­ell sein soll­te. Des­we­gen wür­de ich mich in der Gän­ze nicht unbe­dingt immer als sex­po­si­ti­ven Men­schen beschrei­ben. In unse­rer Gesell­schaft gibt's nun mal Sexis­mus und des­we­gen geht vor allem Sex mit Män­nern oft mit Macht­miss­brauch und Gewalt ein­her. Dann gibt es noch Risi­ken wie eine Schwan­ger­schaft oder sexu­ell über­trag­ba­re Krank­hei­ten und trotz­dem wol­len vie­le – oft Män­ner – kei­ne Kon­do­me benut­zen. Das hört sich jetzt ziem­lich pes­si­mis­tisch an. (lacht) Sex kann ja auch sehr schön und befrei­end sein, man kann ver­hü­ten und dann ist es geil. Also ich gehe mit den Labels am Ende schon d'accord, weil eben die Leu­te dann wis­sen, dass es in mei­ner Musik dar­um geht, dass Frau­en befreit dar­über spre­chen kön­nen soll­ten, was ihnen Spaß macht und was nicht.

MZEE​.com: Am 26. April ist dei­ne neue EP "Libi­do" raus­ge­kom­men. Wel­che Facet­ten von Yung FSK 18 kön­nen wir da hören?

Yung FSK18: Ähn­li­che wie frü­her, aber ich bin auf jeden Fall ehr­li­cher und viel­leicht ein biss­chen radi­ka­ler. Frü­her hat­te ich noch die­se etwas trot­zi­ge Fas­sa­de. Ich dach­te mir, wenn ihr mich unbe­dingt süß und sexy haben wollt, dann bit­te. Jetzt hab' ich nicht mehr so sehr das Bedürf­nis, damit irgend­je­man­den über­zeu­gen zu wol­len oder irgend­wel­chen Leu­ten etwas bewei­sen zu müs­sen, die eigent­lich nicht mei­ne Freund:innen sind, son­dern irgend­wel­che Arsch­lö­cher. Ich bin ein­fach ehr­lich, so wie's mir und viel­leicht noch paar ande­ren Bad Bit­ches, um die es mir da geht, gefällt.

MZEE​.com: Wie kam es, dass du gemerkt hast, dass du das anders machen willst als bei älte­ren Releases?

Yung FSK18: Mit der Zeit und mit der Erfah­rung. Frü­her dach­te ich, dass Kol­le­gen, die mich unter­stüt­zen und fei­ern, das unein­ge­schränkt und lang­fris­tig tun. Aber ich habe die Erfah­rung gemacht, dass das oft – jetzt hart aus­ge­drückt – Typen waren, die sich gedacht haben, dass sie mit mir ein Fea­ture machen kön­nen, in dem sie den gei­len Ste­cher geben und ich ein biss­chen las­ziv und sexy drin rum­po­sie­re. Dafür war es dann gut genug. Aber das waren kei­ne Geschäfts­be­zie­hun­gen oder Freund­schaf­ten, in denen man sich gegen­sei­tig wirk­lich sup­port­et hät­te. Son­dern nur für ein Fea­ture oder was einem gera­de so in den Kram passt. Zum Glück sind die­se Kol­la­bos am Ende auch nie wirk­lich zustan­de gekom­men und releast wor­den. Ich will nicht nur als Rap­pe­rin, die sexy ist und die das Frau­en­bild von sol­chen Män­nern bestä­tigt, her­hal­ten, son­dern auch als Mensch und Kol­le­gin respek­tiert wer­den. Ich habe dann gecheckt, dass das Bezie­hun­gen sind, in die man sel­ber nicht so viel rein­in­ves­tie­ren soll­te, wenn die ande­re Sei­te nicht genau­so dahin­ter­steht. Dann hab ich mir gedacht: War­um will ich eigent­lich, dass unbe­dingt die­se Leu­te gut fin­den, was ich mache? War­um will ich die­sen Leu­ten bewei­sen, wie gut ich bin und dass ich mein Ding mache? Das ist Quatsch, was geht die das an …

(Mar­tha Blu­men­tha­ler & Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Pau­li­na Schroe­der & Paul Günther)