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Interview

Haszcara – ein Gespräch über Science-Fiction

"Science-​Fiction erzählt immer eine Geschich­te davon, wie die Welt wer­den könn­te. Gleich­zei­tig wird aber auch erzählt, wie die Welt ist. Sie wird näm­lich so, wie wir sie gestal­ten." – Haszca­ra im Inter­view über ihre Science-​Fiction-​Faszination und aktu­el­le gesell­schaft­li­che Entwicklungen.

Science-​Fiction: Für man­che ein kru­des Gen­re und Hob­by, mit dem nur Nerds etwas anfan­gen kön­nen, für ande­re eine gro­ße Lei­den­schaft, die kaum über­blick­ba­re Wel­ten und Ideen ver­eint. Die krea­ti­ven Wer­ke – egal, ob Buch oder Film – sind gera­de des­halb so fas­zi­nie­rend, weil sie sich auch auf die Zei­ten bezie­hen, in denen sie ent­ste­hen und oft schon fast pro­phe­ti­schen Cha­rak­ter haben. Dies führt zu einer span­nen­den Kom­bi­na­ti­on aus zu der Zeit aktu­el­len gesell­schaft­li­chen The­men und Zukunfts­vi­sio­nen – denkt man zum Bei­spiel an eine Serie wie "The Expan­se", in der vie­le sozia­le und poli­ti­sche The­men wie Arbeits­lo­sig­keit, Umwelt­zer­stö­rung, Ras­sis­mus und Krie­ge ihren Platz fin­den. Dabei geht es nicht nur dar­um, die­se The­men anzu­spre­chen, son­dern genau­so mög­li­che Ent­wick­lungs­sze­na­ri­en auf­zu­zei­gen, und zwar sowohl uto­pisch als auch, wie im Fal­le von "The Expan­se", eher dys­to­pisch. Eine Künst­le­rin, die sich lei­den­schaft­lich mit Science-​Fiction aus­ein­an­der­setzt, ist Haszca­ra. Abseits ihrer gro­ßen Lie­be "Star Trek" fin­den sich auch in vie­len ihrer Releases immer wie­der Sci-​Fi-​Referenzen. Gemein­sam mit ihr spra­chen wir über ihre ers­ten Berüh­rungs­punk­te mit Science-​Fiction, gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen für eine bes­se­re Zukunft, das "Frem­de" und ihre liebs­ten Figu­ren und Fran­chi­ses des Genres.

MZEE​.com​: Wie bist du das ers­te Mal mit Science-​Fiction in Berüh­rung gekommen?

Haszca­ra: Tat­säch­lich war das "Star Wars". Im Nach­hin­ein wür­de ich "Star Wars" aber nicht als Sci-​Fi bezeich­nen. Auch wenn es häu­fig so kate­go­ri­siert wird, ist es für mich kei­ne Science-​Fiction. (Anm. d. Red.: "Star Wars" wird mitt­ler­wei­le über­wie­gend als "Space Ope­ra" bezeich­net, unter ande­rem weil das Fran­chise vie­le mär­chen­ty­pi­sche Erzähl­ele­men­te beinhal­tet.) Etwa zeit­gleich ent­deck­te ich noch die Film­rei­he "Spy Kids", wenn man das als Science-​Fiction zäh­len möch­te. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich das Gen­re geliebt habe. Pas­send dazu habe ich eine sehr schö­ne Kind­heits­er­in­ne­rung: Ich habe kroa­ti­sche Wur­zeln. Als wir in Kroa­ti­en waren, hat mich mei­ne Mut­ter auf den Arm genom­men, ist mit mir spa­zie­ren gegan­gen und hat mit mir "Sternen-​Taxi" gespielt – so nann­te sie das immer. Wir sind spa­zie­ren gegan­gen und haben uns die Ster­ne ange­guckt, weil man davon in Kroa­ti­en mehr als in Deutsch­land sehen kann. Sie hat mir erklärt, was man alles am Him­mel sehen kann. Das war mein ers­ter Berüh­rungs­punkt mit dem Uni­ver­sum und der Gala­xie. Dadurch ent­stand mein Inter­es­se für das Genre.

MZEE​.com​: Was genau fas­zi­niert dich denn an Science-​Fiction und den Wel­ten, die dabei kre­iert werden?

Haszca­ra: Ich lie­be Science-​Fiction, weil das Gen­re immer eine Geschich­te davon erzählt, wie die Welt wer­den könn­te. Gleich­zei­tig wird aber auch erzählt, wie die Welt ist. Sie wird näm­lich so, wie wir sie gestal­ten. Das kann in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen gehen, zum Bei­spiel super­dys­to­pisch wie bei der Serie "The Expan­se". Dort herrscht ein Hyper­ka­pi­ta­lis­mus und Res­sour­cen wer­den im Aste­ro­iden­gür­tel abge­baut. Es gibt dau­er­haft poli­ti­sche Span­nun­gen zwi­schen den Men­schen, die im Aste­ro­iden­gür­tel auf­wach­sen, und den Bevöl­ke­run­gen auf dem Mars und der Erde. Mei­ne gro­ße Lie­be "Star Trek" geht da eher in eine uto­pi­sche Rich­tung: Wie könn­te die Welt schön aus­se­hen? Die Seri­en wir­ken sehr oft wie Fabeln. Es wer­den ganz aktu­el­le The­men bespro­chen, zum Bei­spiel künst­li­che Intel­li­genz. Das formt auch unser Den­ken dar­über, wie wir heu­te leben: Was könn­ten mög­li­che Kon­se­quen­zen sein? Das lie­be ich dar­an und das pas­siert spie­le­risch, aber hat poli­ti­sche und phi­lo­so­phi­sche Dimensionen.

MZEE​.com​: In dei­nem Song "Lei­che zu Figh­ter" rappst du: "Das hier ist Leben wie im Comic." – Wür­dest du Science-​Fiction auch als eine Mög­lich­keit beschrei­ben, um dich von der Welt abzu­len­ken bezie­hungs­wei­se aus ihr zu fliehen?

Haszca­ra: Es kommt drauf an, wel­che Art von Science-​Fiction. Bei Uto­pien wie "Star Trek" auf jeden Fall. Gleich­zei­tig hast du aber immer den Bezug zur jet­zi­gen Welt. Die Fra­ge, was unse­re jet­zi­gen Hand­lun­gen in der Zukunft aus­lö­sen, schwingt immer mit. Du kannst die Gegen­wart nie ganz ausklammern.

MZEE​.com​: In fast allen Science-​Fiction-​Erzählungen ste­hen mensch­li­che Akteur:innen im Mit­tel­punkt. Obwohl das Gen­re häu­fig mit Ali­ens asso­zi­iert wird, funk­tio­niert es nur sel­ten los­ge­löst vom mensch­li­chen Leben.

Haszca­ra: Genau, denn sonst wäre es Fan­ta­sy. Man­che sagen, dass es da nicht so einen kras­sen Unter­schied gibt. Natür­lich ist das "Sci­ence" in Science-​Fiction auch nicht immer vor­han­den. Es wer­den vie­le unwis­sen­schaft­li­che bezie­hungs­wei­se nicht rea­li­sier­ba­re Sachen dar­ge­stellt, aber es geht eben stets um die Vor­stel­lung von unse­rer Zukunft. Das macht es spannend.

MZEE​.com​: Der Begriff "Ali­en" wird auch gern als Bezeich­nung für Außenseiter:innen ver­wen­det. Kannst du dich mit die­sem Bild identifizieren?

Haszca­ra: (lacht) Auf jeden Fall. Ich fin­de Ali­ens span­nend, weil die­se Figu­ren sym­bo­li­sie­ren, wie von uns Men­schen das Frem­de wahr­ge­nom­men wird. Aktu­ell haben wir eine natio­nal­staat­li­che Welt­ord­nung und vie­le Men­schen neh­men ein­an­der als Frem­de wahr, weil sie unter­schied­li­che Päs­se haben. In der Science-​Fiction wird das etwas grö­ßer – dort gibt es zum Bei­spiel Erd­lin­ge und Mars­men­schen. Hier gibt es einen Shift und "das Frem­de" ver­schiebt sich.

MZEE​.com​: Die Grö­ßen­ord­nung ist eine ganz andere.

Haszca­ra: Es ist auch ein guter Per­spek­tiv­wech­sel, um zu schau­en, was uns alle auf die­ser Erde ver­bin­det. In den 40er Jah­ren ist Gar­ry Davis vor die UN getre­ten und hat vor­ge­schla­gen, dass es einen "World Pass­port" geben soll­te. (Anm. d. Red.: Gar­ry Davis war ein staa­ten­lo­ser kos­mo­po­li­ti­scher Frie­dens­ak­ti­vist und Initia­tor der soge­nann­ten Welt­bür­ger­be­we­gung.) Das ist voll span­nend, dass die­ser Mann die Mensch­heit als eine "Grup­pe" ver­ei­nen woll­te. Gera­de in der Science-​Fiction, zum Bei­spiel bei "Star Trek", geht es immer wie­der um den "First Cont­act", also den ers­ten Kon­takt einer Spe­zi­es mit Außer­ir­di­schen. Es wer­den dann meis­tens zwei Sze­na­ri­en erzählt: Ent­we­der die Spe­zi­es emp­fängt die Ali­ens mit Inter­es­se und erwei­tert ihren Hori­zont oder sie grenzt sich ab und radi­ka­li­siert sich. Das nimmt dann oft eine poli­ti­sche Dimen­si­on an, die sich manch­mal auch auf das gan­ze Gefü­ge in der Gala­xis aus­wir­ken kann.

MZEE​.com​: Was wür­de denn dei­ner Mei­nung nach bei einem Erst­kon­takt mit außer­ir­di­schen Lebens­for­men passieren?

Haszca­ra: Mit der Erde? In die­ser Zeit? (über­legt) Ich glau­be, es gäbe vie­le Men­schen, die voll offen wären. Aber es geht auch dar­um, wer gera­de glo­bal gese­hen poli­tisch an der Macht ist. Das wäre aktu­ell eine Kata­stro­phe und die wür­den sich lei­der alle umbrin­gen, nur um vor­ne mit dabei zu sein. Der Erst­kon­takt ist auch der Grund, war­um ich unbe­dingt zur "Star­fleet" möch­te, falls es das mal geben soll­te. (lacht) (Anm. d. Red.: Orga­ni­sa­ti­on bei "Star Trek", die unter ande­rem wis­sen­schaft­li­che und diplo­ma­ti­sche Auf­ga­ben über­nimmt, wenn Neu­es im All ent­deckt wird) Ich habe Kul­tur­anthro­po­lo­gie stu­diert und wür­de ger­ne dabei sein. Das bie­tet so gro­ße Chan­cen und wird in Science-​Fiction ganz oft durch­ge­spielt: Was macht uns mensch­lich? Was sind Emo­tio­nen? Was ist Zusam­men­halt? Was sind unse­re Werte?

MZEE​.com​: Hilft die Abs­trak­ti­on durch Sci-​Fi even­tu­ell auch, rea­le aktu­el­le Pro­ble­me deut­li­cher anzu­spre­chen als in vie­len ande­ren Genres?

Haszca­ra: Sci-​Fi hat oft wie gesagt einen Fabel­cha­rak­ter, denn es spielt in der Zukunft, aber eigent­lich wer­den immer heu­ti­ge The­men reflek­tiert. Ich muss jetzt wie­der "Star Trek" als Bei­spiel neh­men. Die haben in den fuck­ing 60er Jah­ren eine Serie pro­du­ziert, die für dama­li­ge Ver­hält­nis­se super­di­vers war.

MZEE​.com​: Span­nend ist, dass sich zu der Zeit Zuschauer:innen dar­über teil­wei­se sogar echauf­fiert haben.

Haszca­ra: Es gab damals – erzäh­le­risch erzwun­gen – den ers­ten Kuss zwi­schen einer Schwar­zen und wei­ßen Per­son im Fern­se­hen. (Anm. d. Red.: Die Sze­ne, in der die bei­den Protagonist:innen gezwun­gen wer­den, sich zu küs­sen, sorg­te Ende der 60er Jah­re in den USA für gro­ßes Auf­se­hen, da das Land noch stark durch die Jahr­zehn­te der Ras­sen­tren­nung geprägt war. Das Pro­duk­ti­ons­stu­dio der Serie woll­te die Sze­ne zunächst auch nicht dre­hen las­sen, doch die Darsteller:innen setz­ten sich durch.) Aus femi­nis­ti­scher Per­spek­ti­ve geht das natür­lich gar nicht, aber es ver­kör­pert trotz­dem die­sen Traum, wie eine ande­re Welt aus­se­hen könn­te. Dys­to­pien sind jedoch auch sehr wich­tig, da sie nega­ti­ve Gefüh­le aus­lö­sen. Wir brau­chen die­se, um wirk­lich etwas ver­än­dern zu wol­len. Hast du jemals jeman­den sagen hören, dass alles gut läuft und man des­halb alles anders machen will? Nein, Ver­än­de­rung geschieht aus dem Gefühl her­aus, dass man etwas nicht will, zum Bei­spiel dass die Welt in zehn Jah­ren unter­geht. Wir müs­sen etwas tun und par­al­lel kön­nen uns Uto­pien, die Hun­der­te von Jah­ren in der Zukunft spie­len, Hoff­nung geben. In die­sen Erzäh­lun­gen ist schon ganz viel pas­siert; Krie­ge und Kon­flik­te wur­den auf­ge­löst. Die­se Gedan­ken fin­de ich schön und kraftspendend.

MZEE​.com​: Oft ver­wan­deln sich uto­pisch geglaub­te Wel­ten aber auch in Dys­to­pien. Siehst du da Par­al­le­len zu aktu­el­len poli­ti­schen und sozia­len Geschehnissen?

Haszca­ra: Abso­lut. Auch wenn ich kein gro­ßer Fan der Serie bin: Bei "Black Mir­ror" wer­den zum Bei­spiel tech­ni­sche Neue­run­gen viel the­ma­ti­siert und kri­tisch betrach­tet. Bei "The Orville" fin­den ähn­li­che kri­ti­sche Ein­ord­nun­gen statt. Das ist gene­rell eine groß­ar­ti­ge Serie! In einer Fol­ge wird zum Bei­spiel auf einem frem­den Pla­ne­ten mit­hil­fe von sozia­len Bewer­tun­gen ver­sucht, eine bes­se­re Welt zu schaf­fen. Du kannst dort Leu­ten einen Up- oder Down­vo­te geben und das führt zu ganz schlim­men Kon­se­quen­zen: Leu­te mit zu vie­len Down­vo­tes krie­gen dann eine Lobo­to­mie. Die wer­den am Gehirn ope­riert, weil ande­re mit ihnen nicht klar­ka­men und deren Ver­hal­ten schein­bar nicht in Ord­nung fan­den. Das Kran­ke muss "weg­ope­riert" werden.

MZEE​.com​: Eine sehr dys­to­pi­sche Vor­stel­lung. Aber wie wür­de denn dei­ne Uto­pie aussehen?

Haszca­ra: Ein gro­ßes The­ma ist die Ver­füg­bar­keit von Res­sour­cen, mit denen wir unser Leben "finan­zie­ren". Doch selbst wenn wir unbe­grenz­ten Zugriff auf Res­sour­cen hät­ten, wäre es mög­lich, dass wir uns in eine dys­to­pi­sche Rich­tung ent­wi­ckeln. Wie mei­ne Uto­pie aus­sieht, ist eine sehr viel­schich­ti­ge Fra­ge. Ich könn­te jetzt die Stan­dard­be­grif­fe drop­pen: Chan­cen­gleich­heit, Gerech­tig­keit, Sup­port für alle und Soli­da­ri­tät. Mei­ne Uto­pie wäre zunächst, dass alle über die glei­chen mone­tä­ren Res­sour­cen ver­fü­gen. Bei "Star Trek" gibt es unter ande­rem "Repli­ka­to­ren", die ziem­lich vie­le Din­ge ein­fach so her­stel­len kön­nen. Man braucht also kein Geld mehr. Außer­dem wün­sche ich mir, dass jede:r sich frei ent­fal­ten kann, damit Men­schen ihr Leben indi­vi­du­ell füh­ren kön­nen, wie sie es möch­ten. Selbst­ver­wirk­li­chung ohne Grenzen.

MZEE​.com​: Fällt dir da even­tu­ell eine ganz all­täg­li­che Sache ein?

(Stil­le, Haszca­ra über­legt)

MZEE​.com​: Ein gemüt­li­cher Schlaf­platz wäre eine tol­le Sache. (Anm. d. Red.: Haszca­ra berich­te­te im Vor­feld des Inter­views über einen sehr schlech­ten Schlaf­platz in der vor­he­ri­gen Nacht.)

Haszca­ra: Du hast gar nicht so unrecht, denn es geht um die Deckung der Grund­be­dürf­nis­se. Ich war vor Kur­zem auf einem Demo­kra­tie­se­mi­nar der Betzavta-​Methode. (Anm. d. Red.: Betz­av­ta ist eine Metho­de für demo­kra­ti­sche Aus­hand­lungs­pro­zes­se und gegen­sei­ti­ge Aner­ken­nung unter­schied­li­cher Stand­punk­te.) Wir haben dort bemerkt, dass Per­so­nen, die zum Bei­spiel müde sind, an einem bestimm­ten Punkt nicht mehr am demo­kra­ti­schen Pro­zess teil­neh­men kön­nen. Die­se Men­schen wer­den dann aus dem Pro­zess aus­ge­schlos­sen, wäh­rend die ande­ren wei­ter­hin an Ent­schei­dungs­pro­zes­sen arbei­ten. Die Fra­ge ist, wie wir alle Men­schen in den gesell­schaft­li­chen Aus­hand­lungs­pro­zess inklu­die­ren kön­nen – schließ­lich geht es dar­um, wie wir gemein­sam leben wol­len. Dafür ist die Deckung der Grund­be­dürf­nis­se – zum Bei­spiel ein gei­ler Schlaf­platz – essen­zi­ell. Ein wei­te­rer Punkt ist zudem die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Inter­net und künst­li­cher Intel­li­genz: Wie wer­den die­se Tools zu einer Ergän­zung und Hil­fe, aber nicht zu einem Ersatz für Men­schen? Wir dür­fen nicht ver­ler­nen, selbst zu den­ken, und es ist wich­tig, dass alle mün­dig sind und bleiben.

MZEE​.com​: Dei­ne Release-​Titel haben oft auch astro­no­mi­sche Anleh­nun­gen, zum Bei­spiel "Pola­ris" und "Roter Rie­se" – ein Ster­nen­bild und ein Stern­typ. Inwie­weit inter­es­siert dich denn die wis­sen­schaft­li­che Perspektive?

Haszca­ra: Mich inter­es­siert das abso­lut. Wenn ich nicht so schlecht in den Natur­wis­sen­schaf­ten wäre, wür­de ich auch Astro­phy­sik stu­die­ren. Schon als Kind war mein Wunsch, Astro­nau­tin zu wer­den. Ich hat­te auch immer einen Galaxy-​themed Bir­th­day, den pas­sen­den Galaxy-​Scout-​Rucksack und spä­ter natür­lich auch die­se Space-​Leggings. Ich habe dazu sogar mal ein Semi­nar belegt. Wäh­rend mei­ner Stu­di­en­zeit gab es die Mög­lich­keit, "Astro­no­mie für Stu­die­ren­de aller Fakul­tä­ten" zu wäh­len, das war echt cool. In einem Song von mir sage ich auch, dass ich immer nur weg­woll­te. Der Grund für mein Inter­es­se ist die­ser Blick in die Ster­ne und die damit ein­her­ge­hen­de Wahr­neh­mung, wie klein wir doch sind … Für mich ist das schön. Es gibt zwei Kate­go­rien von Men­schen: Den einen macht es Angst, zu rea­li­sie­ren, wie klein und unbe­deu­tend wir sind, den ande­ren gibt es ein Gefühl von Hoff­nung und Glück. Wir sind auf einem "Stein­bro­cken", der durch das Welt­all rast. Wie ran­dom ist das? Mir gibt es inner­lich viel Ruhe, da mal raus­zu­zoo­men. Ich wür­de super­ger­ne ins Welt­all flie­gen. Das wird wahr­schein­lich nicht klap­pen, aber das ist ein Wunsch mei­nes inne­ren Kin­des. Ich glau­be, es ver­än­dert dich lang­fris­tig, wenn du die Welt von außen sehen könntest.

MZEE​.com​: Kom­men wir zurück zu den künst­le­ri­schen The­men: Wel­che Figu­ren aus dem Science-​Fiction-​Bereich inspi­rie­ren dich denn besonders?

Haszca­ra: Hier muss ich wie­der sofort an "Star Trek" den­ken. Ich lie­be Jane­way, die Kapi­tä­nin aus "Voy­a­ger" (Anm. d. Red.: Teil des "Star Trek"-Franchises), der Serie aus den 90ern. Sie ist eine nicht per­fek­te, aber coo­le Frau­en­rol­le, spe­zi­ell für die Zeit, in der die Serie gedreht wur­de. Sie ist eine tol­le Kapi­tä­nin, die vie­le kom­pli­zier­te Ent­schei­dun­gen für eine Men­ge Men­schen tref­fen muss. Ansons­ten inter­es­sie­ren mich Figu­ren beson­ders, die nicht mensch­lich sind, zum Bei­spiel ein Andro­ide wie Del­ta oder Vul­ka­ni­er wie Spock und Tuvok. An die­sen Figu­ren wird immer viel Mensch­lich­keit aus­ge­han­delt: Was ist Humor? Was ist Lie­be? Was ist Freund­schaft? Dadurch ent­ste­hen immer total süße und tief­grün­di­ge Fol­gen. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns die­sen Fra­gen stel­len müs­sen, denn Leu­te freun­den sich mit künst­li­chen Intel­li­gen­zen an. Außer­dem fin­de ich gemisch­te Iden­ti­tä­ten span­nend, zum Bei­spiel B'Elanna Tor­res. Die ist Halb­mensch und Halb­klin­go­nin, auch wenn man kri­ti­sie­ren kann, dass ihre Rol­le die­sem Latina-​Klischee ent­spricht. Ich bin zum Bei­spiel zwi­schen drei Lan­des­kul­tu­ren auf­ge­wach­sen. Wie krass muss es dann sein, wenn du Halba­li­en und Halb­mensch bist? (lacht) Also ich kann mir nicht vor­stel­len, womit man sich dann iden­ti­fi­zie­ren wür­de, und fin­de es schön, dass die­se The­men dort auf­ge­grif­fen wer­den. Das hat wie­der die­sen Fabel­cha­rak­ter, ihr klin­go­ni­scher Anteil ist super­spi­cy und ihr mensch­li­cher Anteil ist etwas sof­ter. Sie hat einen mensch­li­chen Freund bezie­hungs­wei­se Mann, wodurch eini­ge kul­tu­rel­le Kon­flik­te ent­ste­hen. Ich füh­le mich dar­in auch reprä­sen­tiert. Eini­ge Sci-​Fi-​Geschichten repro­du­zie­ren zwar viel Bull­shit, aber es gibt gene­rell star­ke Frau­en­rol­len und viel Platz zum Explo­ren von coo­len Sachen. Ein gutes Bei­spiel ist auch der Klas­si­ker "Ali­en", denn die Haupt­rol­le Ripley wur­de urspüng­lich für einen Mann geschrie­ben. Aber es wur­de dann ent­schie­den, dass die Figur eine Frau sein soll. Der Film ist geni­al und zeit­los und das war, soweit ich weiß, auch die ers­te Action-​Hauptrolle einer Frau. Die wur­de nicht über­se­xua­li­siert, son­dern ganz "nor­mal" als Bad­ass dar­ge­stellt. In Science-​Fiction wer­den sol­che Neue­run­gen immer wie­der aus­pro­biert, weil es halt in einer fer­nen Zukunft spielt. Da fällt es leich­ter dar­zu­stel­len, dass eine Frau eine Kapi­tä­nin ist oder dass non-​binary Figu­ren in "Star Trek" exis­tie­ren. In "The Expan­se" gibt es poly- bezie­hungs­wei­se pan­se­xu­el­le Bezie­hun­gen und das wird nicht hin­ter­fragt, das ist ein­fach so. Das lie­be ich an dem Gen­re, denn es zeich­net eine Welt, wie sie sein könn­te. Den Weg dahin müs­sen wir selbst fin­den, aber es kann uns inspi­rie­ren, in bestimm­te Rich­tun­gen gehen oder nicht gehen zu wollen.

MZEE​.com​: Apro­pos Zukunft: In wel­che Zeit wür­dest du denn ger­ne mal rei­sen und wen wür­dest du dort tref­fen wollen?

Haszca­ra: Das hat uns mal unser Geschichts­leh­rer gefragt. Mitt­ler­wei­le fän­de ich es auch inter­es­sant, in die Ver­gan­gen­heit zu rei­sen. Aber damals mein­te ich, dass ich nir­gend­wo­hin möch­te und wenn, dann in die Zukunft. Das ist schon etwas län­ger her, ich fand es prin­zi­pi­ell gut, wie wir leben. Es gab halt so über­trie­ben pro­ble­ma­ti­sche Phä­no­me­ne wie Trump oder die AfD noch nicht.

MZEE​.com​: Man ist als Schüler:in viel­leicht auch noch etwas weni­ger auf­merk­sam hin­sicht­lich sol­cher Dinge.

Haszca­ra: Ich habe mich schon mit vie­len dar­über unter­hal­ten. In der Zeit, in der ich auf­ge­wach­sen bin, hat­ten die meis­ten Leu­te das Gefühl, dass es immer bes­ser wird. Die­ses Gefühl geriet dann aber spä­tes­tens mit Trump ins Wan­ken. Ich habe damals über­haupt nicht mit sei­ner Wahl gerech­net, kurz danach wur­de die AfD immer stär­ker und mitt­ler­wei­le folgt eine Kri­se auf die nächs­te. Ich bin sehr poli­tisch auf­ge­wach­sen und war schon 2009 aktiv im Bil­dungs­streik. (Anm. d. Red.: Wäh­rend des bun­des­wei­ten Bil­dungs­streiks wur­de unter ande­rem von Schüler:innen und Student:innen der unbe­schränk­te Zugang zu Bil­dung gefor­dert.) Ich hat­te das Gefühl, dass sich durch­aus etwas in der Gesell­schaft bewegt und es immer "bes­ser" wird. Vie­le The­men wur­den gesell­schafts­fä­hi­ger, man sprach über pro­ble­ma­ti­sche Umstän­de, die MeToo-​Bewegung wur­de grö­ßer und Que­er­ness prä­sen­ter. Dann folg­te aber Stück für Stück die­ser erneu­te Rechts­ruck. Auch hin­sicht­lich des Kli­ma­wan­dels dach­te ich zunächst, dass wir das hin­krie­gen, gera­de wenn man an Fil­me wie "Eine unbe­que­me Wahr­heit" oder "The Day After Tomor­row" denkt. Aktu­ell bin ich mir sehr unsi­cher, ob wir das noch ret­ten kön­nen. Auch wenn wir in Deutsch­land noch rela­tiv lan­ge über­le­ben kön­nen, wer­den die Dür­ren, Hit­ze­wel­len und Über­schwem­mun­gen immer mehr und bedro­hen uns glo­bal. Aber ich glau­be, jetzt bin ich etwas von der ursprüng­li­chen Fra­ge abgekommen …

MZEE​.com​: Eigent­lich war die Fra­ge, in wel­che Zeit du ger­ne rei­sen wol­len würdest.

Haszca­ra: Ich wür­de schon ger­ne hun­dert oder zwei­hun­dert Jah­re in die Zukunft rei­sen, um zu schau­en, wie die Welt sich ent­wi­ckeln wird. Ich weiß nicht, wer dann lebt, aber falls Ali­ens am Start wären, wür­de ich die ger­ne ken­nen­ler­nen: "Will­kom­men auf der Erde. Schön, dass du da bist. Das ist mei­ne Crib." (lacht)

MZEE​.com​: "Mein Haus, mein Baum …"

Haszca­ra: "… mein Pla­net, mein Fluss". (lacht) Ist ein biss­chen crin­ge, aber könn­te man eigent­lich machen.

MZEE​.com​: Kurz den Beat gecrackt und eine Sci-​Fi-​Version von "Mein Block" für Sound­cloud gebastelt.

Haszca­ra: Aber zurück zur Rei­se in die Zukunft: Ich fin­de Kryo­schlaf super­span­nend und habe dazu neu­lich ein rich­tig gei­les Buch gele­sen, in dem das The­ma behan­delt wird: "Bey­ond Ber­lin" von Björn Sül­ter. (Anm. d. Red.: Kryo­schlaf ist in vie­len Sci-​Fi-​Erzählungen eine Mög­lich­keit, um Men­schen schla­fend zu kon­ser­vie­ren und sie irgend­wann in der Zukunft wie­der zum Leben zu erwe­cken.) Er hat eine dys­to­pi­sche Tri­lo­gie über Ber­lin geschrie­ben. In den Büchern ist es für die Leu­te, die sich ein­ge­fro­ren haben, ganz schlimm gelau­fen, inklu­si­ve Abschal­tung der Gerä­te. Das wirk­te stel­len­wei­se sehr real. Ich den­ke, ich wür­de trotz­dem ger­ne zwei­hun­dert Jah­re in die Zukunft rei­sen. Tau­send Jah­re wären etwas krass, so "Futurama"-mäßig.

MZEE​.com​: Ob die­se Zukunft dann noch auf der Erde wäre …

Haszca­ra: Das ist die Fra­ge, ob man das, was man dann sieht, auch sehen will. Stell dir vor, du bist die ein­zi­ge Per­son auf der Welt, die das gese­hen hat. Das ist dann wie bei die­sem Fluch aus der grie­chi­schen Mytho­lo­gie: Die Figur Kas­san­dra kann zwar die Zukunft vor­her­sa­gen, aber nie­mand glaubt ihr. Even­tu­ell wäre das so und das stel­le ich mir ganz schlimm vor. Aus Inter­es­se wür­de ich auch ger­ne in eine Zeit rei­sen, in der es noch kein Inter­net und kei­ne Smart­phones gab. Das Bedürf­nis zurück­zu­rei­sen hat­te ich, als ich jün­ger war, nicht – aber mitt­ler­wei­le schon.

MZEE​.com​: Ich glau­be, das ist auch ein Phä­no­men "unse­rer" Gene­ra­ti­on. Man ist noch ohne die per­ma­nen­te Ver­füg­bar­keit des Inter­nets auf­ge­wach­sen, hat aber im Teenie-​Alter die gro­ßen Sprün­ge der Digi­ta­li­sie­rung und das Ent­ste­hen von Smart­phones miterlebt.

Haszca­ra: Ja, voll! Es gibt den Begriff der "gro­ßen Beschleu­ni­gung", auf Eng­lisch fin­det man dazu mehr (Anm. d. Red.: "The Gre­at Acce­le­ra­ti­on"). In den letz­ten hun­dert bis zwei­hun­dert Jah­ren hat sich die Welt so schnell ver­än­dert wie noch nie zuvor in der Mensch­heits­ge­schich­te. Wenn du jetzt hun­dert Jah­re in die Ver­gan­gen­heit reist, ist das mind­blo­wing. Aber in den Jahr­hun­der­ten davor pas­sier­ten nicht so vie­le Ver­än­de­run­gen, die den All­tag der Men­schen betra­fen. Das fin­de ich wich­tig zu berück­sich­ti­gen, wenn wir dar­auf bli­cken, wie wir als Gene­ra­ti­on mit­ein­an­der umge­hen und wie ver­schie­de­ne Gene­ra­tio­nen klar­kom­men. Die Gene­ra­ti­ons­kon­flik­te zwi­schen Boo­mern, Mil­le­ni­als, Gen Z und Gen Alpha ent­ste­hen, weil sich das Auf­wach­sen der ver­schie­de­nen Gene­ra­tio­nen ganz unter­schied­lich gestal­tet. Ich ken­ne Leu­te, die sind nur fünf oder zehn Jah­re jün­ger als ich, und wir ver­ste­hen uns teil­wei­se nicht, weil wir ganz unter­schied­lich auf­ge­wach­sen sind.

MZEE​.com​: Ein Dau­er­bren­ner in "Star Trek" ist auch das Holo­deck, auf dem man eine belie­bi­ge Umge­bung simu­lie­ren und dar­stel­len kann. Wel­chen Ort wür­den wir denn auf dei­nem Holo­deck finden?

Haszca­ra: Auf mei­nem Holo­deck?! (über­legt) Ich wür­de da ein­fach rich­tig ger­ne Kampf­sport betrei­ben, mit einer nied­ri­gen Sicher­heits­stu­fe. Also man soll natür­lich nicht ster­ben. Aber da ich Kampf­sport mache, fän­de ich es rich­tig cool, gegen Klin­go­nen oder ande­re Men­schen auf dem Holo­deck zu kämpfen.

MZEE​.com​: Dann hät­ten wir noch eine abschlie­ßen­de Fra­ge: Wel­che Sci­ence Fiction-​Werke sind für dich die wich­tigs­ten? Wel­che wür­dest du viel­leicht auch kom­plet­ten Neueinsteiger:innen empfehlen?

Haszca­ra: Auf jeden Fall "Star Trek", das ist ein­fach mei­ne größ­te Lie­be. Hier wür­de ich mit "The Next Gene­ra­ti­on" begin­nen und wenn dir das gefällt, kannst du es mal mit der Ori­gi­nal Series pro­bie­ren. Ich habe damit ange­fan­gen, aber die ist noch mal ganz anders. Danach kann man sich dann Stück für Stück rein­ar­bei­ten, zum Bei­spiel mit "Voy­a­ger". Ansons­ten fin­de ich "The Expan­se" voll gut, aber die Bücher, auf denen die Serie basiert, fand ich rich­tig schlimm. Die sind an eini­gen Stel­len ras­sis­tisch, sexis­tisch und wider­lich – doch die Serie ist echt toll. Außer­dem fällt mir gera­de noch "Under the Skin" ein, ein Film mit Scar­lett Johans­son. Der geht ein biss­chen in Rich­tung Hor­ror und ist eher unbe­kannt, aber ich fand den sehr krass und der beschäf­tigt mich bis heu­te. Sie spielt dort ein Ali­en, das auf die Welt kommt und ver­sucht, die Men­schen zu ver­ste­hen. Der Film beschäf­tigt sich mit unse­rer Ober­fläch­lich­keit und endet ganz tra­gisch. Zum Ein­stieg ist viel­leicht auch etwas Humor­vol­les wie "The Orville" gut geeig­net. Es gibt auch super­viel zum Lesen: Ich habe eini­ges auf mei­ner Lis­te wie "Dune", aber kom­me ein­fach nicht hin­ter­her. Ich bin ehr­lich, ich gucke eher Seri­en als zu lesen, auch wenn ich eigent­lich Bock auf Bücher hät­te. Es gibt auch viel que­e­re Lite­ra­tur in die­sem Bereich. Gene­rell soll­te man sich nicht unter Druck set­zen las­sen à la: "Oh mein Gott, du kennst das und das nicht?!" Man soll­te sich auf das fokus­sie­ren, was einen selbst abholt und interessiert.

(Alec Weber & Max Raska)
(Fotos von Rafa­el Dada & boutphotography)