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Interview

Inspektah – ein Gespräch über Rap und Theater

"Wenn man Musik für ein jun­ges Theater-​Publikum macht, muss das ver­gleich­bar sein mit dem, was es nor­ma­ler­wei­se hört. Sonst ist es nur pein­li­ches Geham­pel, das ver­sucht, Rap zu imi­tie­ren." – Inspek­tah im Inter­view über die Schwie­rig­kei­ten, einen Rap-​Soundtrack für ein Thea­ter­stück zu produzieren.

Rap und Thea­ter sind auf den ers­ten Blick nicht unbe­dingt Kul­tur­for­men, die man mit­ein­an­der ver­knüp­fen wür­de. Tat­säch­lich ist die Kom­bi­na­ti­on die­ser Ele­men­te bis heu­te eine Sel­ten­heit. Dabei haben bei­de Berei­che eini­ge Ähn­lich­kei­ten: span­nen­de Geschich­ten, das Per­for­men auf einer Büh­ne und natür­lich der ver­sier­te Umgang mit Spra­che. In die­sem Früh­jahr wur­de das Thea­ter­stück "Fer­di­nand" in Ham­burg urauf­ge­führt. Für das Thea­ter­stück pro­du­zier­te der Ham­bur­ger Rap­per Inspek­tah unter ande­rem mit sei­nem Pro­du­zen­ten mata nicht nur die Musik, son­dern per­formt die­se auch live auf der Büh­ne. Der Rap­per zeigt, dass Rap und Thea­ter durch­aus fusio­nie­ren und sich sogar gegen­sei­tig befruch­ten kön­nen. Wie das funk­tio­niert, wel­che Hür­den bei der Pro­duk­ti­on eines Thea­ter­stücks zu über­win­den sind und war­um Authen­ti­zi­tät im Thea­ter kei­ne gro­ße Rol­le spielt, haben wir in unse­rem Gespräch mit Inspek­tah besprochen. 

MZEE​.com​: Du bist aktu­ell im Stück "Fer­di­nand" am Jun­gen Schau­spiel­haus in Ham­burg nicht nur als Dar­stel­ler, son­dern auch als Rap­per zu sehen. Wie kam die Idee zustande?

Inspek­tah: Enri­que Fiß, mit dem ich zur Schu­le gegan­gen bin, ist Schau­spie­ler, zum Bei­spiel bei der Serie "Groß­stadt­re­vier". Seit­dem wir zur Schu­le gegan­gen sind, macht der Thea­ter. Wir haben damals zusam­men in der Ober­stu­fe gespielt, danach hat­te ich tat­säch­lich nie wie­der Berüh­rungs­punk­te mit dem Thea­ter. Enri­que hat das aber voll durch­ge­zo­gen. Vor ein paar Jah­ren hat­te er zusam­men mit dem Regis­seur Alex­an­der Kles­sin­ger die Idee für das Thea­ter­stück "Fer­di­nand". Das Jun­ge Schau­spiel­haus in Ham­burg macht jedes Jahr eine Aus­schrei­bung, bei der man sich bewer­ben kann, und wenn man die gewinnt, bekommt man eine För­de­rung, um dort ein Thea­ter­stück zu pro­du­zie­ren. Dar­auf haben sie sich letz­tes Jahr bewor­ben und sind auf die glor­rei­che Idee gekom­men, das mit Rap zu kom­bi­nie­ren. Da Enri­que mich aus der Schu­le kennt und Alex­an­der mei­nen Song "Was ich mein" gezeigt hat, haben die mich ange­fragt, ob ich für das Stück Musik schrei­ben kann. Des­we­gen habe ich jetzt unter ande­rem eine "Was ich mein 2.0"-Version für das Thea­ter­stück gemacht, weil ich eine Ver­si­on brauch­te, die ich auch allein ohne AC (Anm. d. Red.: Ham­bur­ger Rap­per) per­for­men kann. Des­sen Refrain läuft im Thea­ter­stück als Play­back, aber die Parts sind live und ohne Mikro­fon bei die­sem Song. Es gibt nicht vie­le Atem­pau­sen, das ist ohne Mikro und Back­up rap­t­ech­nisch bis­her mei­ne größ­te Her­aus­for­de­rung gewe­sen. Aber zurück zur Ent­ste­hung: Ich hat­te nach der Anfra­ge tie­risch Bock drauf, denn ich freue mich immer, wenn ich mit Rap neue Sachen aus­pro­bie­ren kann. Spe­zi­ell für ein Thea­ter­stück zu schrei­ben, habe ich vor­her noch nie gemacht.

MZEE​.com​: Du sag­test bereits, dass du nach der Abi-​Zeit nicht mehr am Thea­ter warst. Hast du ander­wei­tig mal als Schau­spie­ler gearbeitet?

Inspek­tah: Ich habe am Ende der Schul­zeit ein, zwei Sachen für Wer­be­spots gemacht. Ich war in so einer Model-​Kartei, denn ein guter Freund und ich wur­den mit 15 oder 16 Jah­ren nach dem Schlitt­schuh­lau­fen ange­schnackt. Ich habe dann Sachen für die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne oder die Bäcke­rei Jun­ge hier in Ham­burg gemacht, bei denen war ich eine Zeit lang auf den Pla­ka­ten. Mein Kol­le­ge ist danach tat­säch­lich auf dem Mailand-​Laufsteg durch­ge­star­tet und war in Japan auf der Vogue. Der hat aber auch die Model­s­ta­tur, ich habe eher die Bier­trin­ker­s­ta­tur. (lacht) Aber ansons­ten hat­te ich kei­ne Berüh­rungs­punk­te mit Thea­ter und Schauspiel.

MZEE​.com​: Hol' uns doch noch mal kurz ab. Wor­um geht es denn in dem Stück "Fer­di­nand"?

Inspek­tah: Es geht um Fer­di­nand, den Stier, der ist ursprüng­lich aus einem spa­ni­schen Kin­der­buch. Das wur­de dort damals indi­ziert, weil es sich the­ma­tisch gegen Stier­kampf rich­tet. Das Kin­der­buch besteht aus nur 15 Sei­ten mit vie­len Bil­dern und ein­zel­nen Sät­zen, das ist tat­säch­lich sehr wenig, um dar­aus ein Stück zu machen. Es gab dazu noch einen ani­mier­ten Film, der die gan­ze Geschich­te auf knapp 90 Minu­ten gestreckt hat. Unse­re Aus­ar­bei­tung war pri­mär die Arbeit von Enri­que und Alex­an­der, die aus dem 15-​Seiten-​Kinderbuch ein gan­zes Kon­zept und Stück erar­bei­tet haben. In unse­rem Stück hält sich Fer­di­nand ger­ne an einer Eiche auf einer Wie­se auf und beob­ach­tet nachts die Ster­ne. Im Thea­ter­stück ist näm­lich gera­de die Tauriden-​Zeit. Die ist dann, wenn ein Komet die Umlauf­bahn der Erde trifft und dadurch Stern­schnup­pen ent­ste­hen. Die­se Stern­schnup­pen gehen genau durch den Stier (Anm. d. Red.: Gemeint ist das Ster­nen­bild), des­halb spricht man von Tau­r­i­den. Enri­que könn­te das bes­ser wie­der­ge­ben, der erklärt das im Stück in einem Mono­log. Um zur Geschich­te zurück­zu­kom­men: Am Ende lan­det Fer­di­nand in der Are­na, obwohl er den ande­ren nur erzäh­len woll­te, wie schei­ße das ist, was da pas­siert. Wie es dann aus­geht, las­se ich mal offen. Für uns war wich­tig, in Bezug auf das jun­ge Publi­kum, dass man das Stier­kampf­the­ma behan­delt und kom­bi­niert mit The­men wie Leis­tungs­ge­sell­schaft und männ­li­che Rol­len­bil­der. Jungs "müs­sen" stark und kräf­tig sein und sich behaup­ten, sol­che Kli­schees wol­len wir aus der Welt räumen.

MZEE​.com​: Du hast es eben bereits ange­spro­chen: Für das Stück hast du zusam­men mit mata ein Tape pro­du­ziert, das wie ein Sound­track funk­tio­niert. Inwie­weit seid ihr da anders an die Pro­duk­ti­on ran­ge­gan­gen als bei euren sons­ti­gen Projekten?

Inspek­tah: Es war sehr anders, denn nor­ma­ler­wei­se sit­ze ich im Stu­dio und schrei­be, was mir gera­de ein­fällt. mata baut wäh­rend­des­sen einen Beat, wir neh­men auf und dann ist es fer­tig. (lacht) In die­sem Fall hat­ten wir am Anfang nur ein gro­bes Skript zum geplan­ten Stück, wor­an wir uns ori­en­tie­ren konn­ten. An eini­gen Stel­len war bereits klar, dass dort Songs kom­men sol­len, aber ansons­ten habe ich eher auf Ver­dacht geschrie­ben. Es hieß erst, ich sol­le die Tracks im Pro­ben­zeit­raum von sechs Wochen pro­du­zie­ren. Das wäre aber super­knapp gewe­sen, des­halb habe ich dann vor­ab Druck gemacht, weil das so nicht für mich funk­tio­niert hät­te. Ich hät­te spon­tan ein oder zwei benö­tig­te Songs im Pro­ben­zeit­raum nach­le­gen kön­nen, aber bestimmt nicht das gan­ze Stück musi­ka­lisch unter­le­gen. Ich habe wäh­rend der Pro­duk­ti­on schnell fest­ge­stellt, dass die Gefahr groß ist, inhalt­lich in eine völ­lig fal­sche Rich­tung zu gehen. Dar­um habe ich vor­ge­schla­gen, dass ich mit Alex und Enri­que ins Stu­dio gehe und die bei­den mir Input geben hin­sicht­lich der kon­kre­ten Stim­mung und Inhal­te der Tracks. Die größ­te Her­aus­for­de­rung für mich war, dass es nicht crin­ge wird. Die Gefahr besteht immer, wenn man für so was Songs macht, dass es am Ende unan­ge­nehm wird. mata habe ich erst im spä­te­ren Ver­lauf dazu­ge­holt. Das war ursprüng­lich nicht geplant und dafür muss­ten wir eini­ges drib­beln, denn das Jun­ge Schau­spiel­haus hat strik­te Vor­ga­ben bezüg­lich der Bezah­lung, wenn es über eine För­de­rung läuft. Da kannst du nicht ein­fach Leu­te mit rein­neh­men, wenn kein Geld mehr da ist – aber mata war eine ech­te Berei­che­rung. Ursprüng­lich soll­te Niklas Hand­rich die Pro­duk­ti­on über­neh­men, der ist als Thea­ter­mu­si­ker dafür enga­giert und hat das Stück toll unter­malt. Der aller­ers­te von mei­nen Songs, "Kraft­ker­le", ist von ihm pro­du­ziert, aber er ist ein Thea­ter­mu­si­ker und kein Stu­dio­pro­du­zent. Das ver­län­gert die Arbeit im Stu­dio im Ver­gleich zur Arbeit mit mata. Niklas kann unend­lich vie­le Instru­men­te spie­len und hat ein Gespür dafür, wie man Sze­nen rich­tig unter­malt. Aber wenn du in dei­nem Leben noch nie HipHop-​Beats gebaut hast, ist die Gefahr groß, dass die Beats zu sim­pel wer­den. Gera­de, wenn man etwas für ein jun­ges Theater-​Publikum macht, muss das ver­gleich­bar sein mit dem, was es nor­ma­ler­wei­se hört. Sonst ist es am Ende nur pein­li­ches Geham­pel, das ver­sucht, deren Musik­rich­tung zu imi­tie­ren. Man kennt das aus etli­chen Fil­men und Wer­bun­gen, in denen Rap dann nichts mit rich­ti­gem Rap zu tun hat, son­dern so klingt, wie wenn Oli­ver Pocher ver­sucht zu rap­pen. Die ursprüng­li­chen zehn Songs haben wir in drei oder vier Studio-​Sessions fer­tig gemacht. Der Ein­fluss von Alex und Enri­que hat aus mir noch mal etwas raus­ge­kit­zelt, bei dem ich selbst nicht wuss­te, dass es da ist. Das Gesamt­pro­dukt spricht dann am Ende für sich und wir sind alle sehr hap­py damit.

MZEE​.com​: Hat sich denn die Live-​Version des Sound­tracks im Ver­gleich zur Studio-​Version verändert?

Inspek­tah: Der Track "Ket­te" ist kür­zer im Stück, der hat nur einen Part. Ansons­ten sind es eher klei­ne Ände­run­gen: "Tau­r­i­den" ist anders arran­giert, damit es mit dem Schau­spiel zusam­men­passt. Teil­wei­se sind die Lie­der so, dass in der Mit­te noch eine Sze­ne kommt, und dann geht der Song wei­ter. Das sind dann eher kur­ze Sze­nen, sodass das ein biss­chen wie ein Skit inner­halb des Tracks wirkt. Das macht es im Thea­ter­stück viel coo­ler, weil es dann nicht die­ses Song-​Spiel-​Song-​Spiel-​Schema ist, son­dern flie­ßend inein­an­der über­geht. Inhalt­lich hat sich aber nichts verändert.

MZEE​.com​: Hast du den Ein­druck, dass Rap auf einer Thea­ter­büh­ne anders wahr­ge­nom­men wird, wenn ihr ein jün­ge­res Publi­kum ansprecht?

Inspek­tah: Wir hat­ten auch klas­si­sches Thea­ter­pu­bli­kum bei ein paar Wochen­end­vor­stel­lun­gen, da war der Anteil der Kin­der deut­lich gerin­ger. Es wird anders wahr­ge­nom­men, weil die­ses klas­si­sche Publi­kum so etwas nicht erwar­tet. Das Thea­ter­stück fängt direkt mit dem ers­ten Song an, dabei gab es schon mehr­fach die Situa­ti­on, dass im Thea­ter Applaus und Jubel wie bei einem Kon­zert statt­fan­den. Das ist auch von unse­rem Regis­seur so gewollt, dass es eine Mischung aus Kon­zert und Thea­ter­stück wird. Dem­entspre­chend über­rascht und geflasht sind die Leu­te dann nach dem ers­ten Song, der eben live per­formt wird. Es ist laut und knallt, das ist nicht auf Zim­mer­laut­stär­ke. Damit es nicht so wirkt, als wür­de ich da nur so vor mich hin rappen.

MZEE​.com​: Glaubst du, es über­rascht Leu­te, was Rap im Thea­ter alles ver­mit­teln kann?

Inspek­tah: Unter der Woche haben wir nur Schul­klas­sen und deren Lehrer:innen im Publi­kum, die waren immer sehr begeis­tert. Wir hat­ten echt Sor­ge, weil das Stück inhalt­lich nicht ein­fach zu ver­dau­en ist. Wir haben es nicht so blüm­chen­haft gemacht, wie es in dem Zei­chen­trick­film ist. Das Kin­der­buch ist da schon näher an uns dran. Es gibt im Thea­ter­stück eine Sze­ne, in der Enri­que – er hat spa­ni­sche Wur­zeln – von per­sön­li­chen Erfah­run­gen berich­tet. Er sagt dann, dass nicht mehr sei­ne Rol­le spricht, son­dern er als Per­son, und erzählt, wie er mit sei­nem Vater und sei­nem Opa bei einem Stier­kampf war und wie das wirk­lich abläuft, wie blu­tig und trau­rig das ist. Da wird nichts beschö­nigt, des­halb hat­ten wir die Sor­ge, dass es aus päd­ago­gi­scher Sicht zu hart für Kin­der ist. Aber dem ist über­haupt nicht so. Wir haben danach mit den Kin­dern auch immer ein Nach­ge­spräch und es ist bis­her nie so gewe­sen, dass irgend­wer davon scho­ckiert war. Ich glau­be, heut­zu­ta­ge sehen die Kids im Inter­net sowie­so viel schlim­me­re Sachen. Dem­nach ist die har­te Rea­li­tät nicht zu viel für sie und es wirkt auch immer so, als wür­den die Kin­der die Mes­sa­ge alle verstehen.

MZEE​.com​: Könn­test du dir denn dar­an anknüp­fend vor­stel­len, Rap und klas­si­sches Thea­ter zu ver­bin­den? Oder ist das even­tu­ell schwie­ri­ger bezüg­lich der Zielgruppe?

Inspek­tah: Nö, über­haupt nicht. Ich wür­de behaup­ten, da ist jetzt nur ein ein­zi­ger Song dabei, den ich wirk­lich pri­mär für Kin­der geschrie­ben habe.

MZEE​.com​: Welcher?

Inspek­tah: (rappt) "Bist du dabei, fühlst du das auch? Alle zusam­men …" – Fer­di­nand träumt immer davon, dass alle gemein­sam auf sei­ner Wie­se eine gro­ße Par­ty fei­ern. Wenn er in die Are­na kommt, sieht er im ers­ten Moment nur, wie die Men­schen alle Spaß haben und denkt, dass das sei­ner Uto­pie ent­spricht. Hier gibt es aber einen kras­sen Bruch, direkt zuvor kommt die Stel­le, bei der Enri­que erklärt, was Stier­kampf eigent­lich ist. Dann folgt die­ser Par­ty­song "Are­na" und das Publi­kum steht tat­säch­lich jedes Mal auf und fei­ert mit. Im nächs­ten Moment geht dann aber der Stier­kampf los. Alle sind gut drauf und mer­ken plötz­lich, wäh­rend sie gera­de fei­ern, dass Fer­di­nand in der Are­na abge­schlach­tet wird. Das ist eine Art Schock­mo­ment, bei dem auf­fällt, wie leicht man Leu­te davon über­zeu­gen kann, irgend­was abzu­fei­ern, nur weil es gute Lau­ne macht und ein Party-​Feeling vermittelt.

MZEE​.com​: Das ist ein Klas­si­ker, wenn jemand auf einer Büh­ne zu etwas auf­for­dert und im Publi­kum auto­ma­tisch fast alle mit­ma­chen. Fato­ni hat das mal mit einem Frage-​Antwort-​Spiel, bei dem dann ver­ein­zelt "Hit­ler" geru­fen wur­de, auf die Spit­ze getrieben.

Inspek­tah: Sehr maka­be­re Metho­de, den Leu­ten das so vor­zu­füh­ren. Solan­ge er ein­ord­net, war­um er das gemacht hat, ist es gut. Da gehe ich bei Fato­ni aber von aus. Um auf die ursprüng­li­che Fra­ge zurück­zu­kom­men: Ich kann mir gut vor­stel­len, das auch für Erwach­se­ne zu machen. Natür­lich könn­te ich bei Erwach­se­nen noch mehr mei­ne eige­ne Spra­che nut­zen. Ich ver­zich­te sowie­so auf poli­tisch inkor­rek­te Spra­che, aber ich könn­te dann zum Bei­spiel vul­gä­re Aus­drü­cke eher ein­bau­en. Dar­auf habe ich bei die­sen Songs kom­plett ver­zich­tet, abge­se­hen von "Was ich mein 2.0", weil der eine Part schon exis­tier­te und da sage ich nun mal: "Fick' nicht mei­nen Kopf!" Aber dazu hat noch nie eine Lehr­kraft nach einer Vor­stel­lung gesagt, dass das pro­ble­ma­tisch wäre. Seit die­sem Jahr arbei­te ich als Sport­leh­rer nach­mit­tags an Grund­schu­len in Bezir­ken wie Bill­stedt und Jen­feld. Wenn du im Ver­gleich hörst, was die Kin­der in der ers­ten und zwei­ten Klas­se zuein­an­der sagen, ist die­ser Satz nicht pro­ble­ma­tisch. Die dürf­ten wit­zi­ger­wei­se noch nicht mal in unser Stück rein, weil das erst ab zehn Jah­ren ist. Da hilft es dann eher dabei, dass die mir zuhö­ren, wenn sie mer­ken, dass ich eine ähn­li­che Spra­che benutze.

MZEE​.com​: Wo liegt für dich der Unter­schied, als Rap­per oder Schau­spie­ler auf der Büh­ne zu stehen?

Inspek­tah: Als Dar­stel­ler habe ich eine Rol­le, auch wenn ich mich in dem Thea­ter­stück irgend­wie selbst spie­le. Aber ich habe kla­re Ver­hal­tens­vor­ga­ben von mei­nem Regis­seur. Das war für mich gewöh­nungs­be­dürf­tig, Tracks nicht so zu per­for­men, wie ich sie gera­de füh­le, son­dern bestimm­te Lauf­we­ge ein­zu­hal­ten. Ich habe mich am Anfang immer umge­dreht und bin weg­ge­gan­gen, wenn ich einen Song been­det habe. Alex mein­te dann: Das kannst du nicht machen. Man muss die Span­nung im Kör­per behal­ten, das Gesche­hen im Blick haben und rück­wärts weg­ge­hen. Ich habe das so ernst genom­men, dass ich ange­fan­gen habe, nur noch rück­wärts­zu­lau­fen. Mitt­ler­wei­le bin ich ein Pro­fi dar­in. Das Büh­nen­bild ist die Are­na – ein Kreis aus Holz­bal­ken und innen drin ist Sand – und ich kann mitt­ler­wei­le genau abschät­zen, wann die Holz­bal­ken kom­men, um da rück­wärts drü­ber­stei­gen zu kön­nen. Nicht mal mei­ne Freun­de hät­ten gedacht, dass ich das schaf­fe, ohne auf die Schnau­ze zu fal­len. (lacht) Es ist auf jeden Fall etwas ande­res, im Thea­ter zu rap­pen. Wenn du in irgend­ei­ner Spe­lun­ke auf der Büh­ne stehst und irgend­was "Fal­sches" rappst, fällt das kei­nem Schwein im Publi­kum auf. Solan­ge du halb­wegs free­sty­len kannst oder einen ande­ren Part rappst. Im Thea­ter­stück funk­tio­niert das nicht, denn das Gesag­te muss zur Sze­ne pas­sen. Da ist in gewis­ser Wei­se ein ande­rer Druck da. Nach der ers­ten Auf­füh­rung war der weg, und jetzt freue ich mich ein­fach auf die Auf­trit­te. Denn es ist schön und macht super­gu­te Lau­ne, etwas für Kin­der zu tun und im Nach­hin­ein mit denen zu reden. Ein wei­te­rer Unter­schied ist die Inter­ak­ti­on mit dem Publi­kum, denn die fällt weg und man bleibt in sei­ner Rol­le. Es ist kon­trol­lier­ter als bei einem Auf­tritt, bei dem ich in der Regel gar nichts pla­ne. Ich kann mei­ne Tex­te und dann pas­siert, was eben auf der Büh­ne pas­siert. Es ist sehr spon­tan und aus der Emo­ti­on heraus.

MZEE​.com​: Da du die Tex­te für "Fer­di­nand" anders geschrie­ben hast, könn­test du dir trotz­dem vor­stel­len, die in dei­nen eige­nen Live­shows zu spielen?

Inspek­tah: Eher nicht. Aber weni­ger, weil die Songs mir nicht schme­cken. Ich bin damit sehr hap­py und per­for­me die ger­ne live im Thea­ter, doch die sind sehr an die Geschich­te gebun­den. Des­we­gen haben wir bei dem Tape, das wir dazu gedroppt haben, immer klei­ne Skits ein­ge­baut. Damit das ein­ge­bet­tet ist und man die Sto­ry ver­steht. Wenn ich zum Bei­spiel "Kraft­ker­le" auf der Büh­ne per­for­men wür­de, näh­me das jede:r ernst. Des­halb kann ich den Song nicht auf "mei­ner" Büh­ne per­for­men. Ich ste­he nicht für das, was in "Kraft­ker­le" gesagt wird, denn der Track reprä­sen­tiert ein Kli­schee, das wir im Thea­ter­stück bis zum Ende immer wei­ter auf­bre­chen. Die Leu­te wür­den sich dann berech­tig­ter­wei­se fra­gen, wer der Kek da oben ist. (lacht)

MZEE​.com​: Authen­ti­zi­tät spielt im Rap eine gro­ße Rol­le. Thea­ter muss zwar über­zeu­gend sein, aber nicht zwin­gend authen­tisch. Wie blickst du denn auf den Begriff in den bei­den Kulturformen?

Inspek­tah: Beim Thea­ter musst du authen­tisch dei­ne Rol­le spie­len. Das tun heut­zu­ta­ge auch vie­le Musiker:innen, die spie­len etwas authen­tisch, das dann mit rich­ti­ger Authen­ti­zi­tät gleich­ge­setzt wird. Ich bin nie­mand, der sagt, man darf nur rap­pen, wenn man authen­tisch ist. Es gibt vie­le wit­zi­ge nicht-​authentische Rap-​Formen, wie zum Bei­spiel Glorb, so einen Ami, der macht Spongebob-​Rap und dar­aus rie­si­ge Geschich­ten. Das hat inhalt­lich schon eher einen Theater- und Schau­spiel­cha­rak­ter, weil es sze­nisch ange­passt ist. Ich fin­de aber, wenn man sich als authen­tisch aus­gibt, dann soll­te man das auch sein. Dann soll­te man dar­auf ach­ten, was man letzt­end­lich sagt. Aber wenn klar ist, dass jemand eine Rol­le für die Musik mimt, fin­de ich das völ­lig legitim.

MZEE​.com​: Des­halb war es wahr­schein­lich etwas kom­plett ande­res für dich, Musik für das Thea­ter­stück zu schreiben.

Inspek­tah: Es war das ers­te Mal, dass ich nicht für mich selbst authen­ti­sche Musik gemacht habe. Obwohl ich sagen muss … Abge­se­hen von "Are­na" und "Kraft­ker­le" sind die Songs auch authen­tisch für mich, denn vie­le Inhal­te davon füh­le ich. Mir war es beim Schrei­ben wich­tig, dass es trotz­dem "mei­ne" Tracks sind. Damit ich dahin­ter­ste­hen kann, weil die nach mir klin­gen und mei­ne Note tragen.

MZEE​.com​: Apro­pos "Kraft­ker­le". Dar­in sagst du: "Hin­dern dich Gefüh­le, schieb sie ganz ein­fach bei­sei­te." – Ihr brecht im Stück mit männ­li­chen Rol­len­bil­dern. Wie blickst du auf die­ses The­ma in der Theater- bezie­hungs­wei­se Rapszene?

Inspek­tah: Da gibt es sehr viel, das sich ver­än­dern soll­te. Das schließt an das The­ma Authen­ti­zi­tät an. In dem Moment, in dem man kei­ne Rol­le spielt, ist es umso wich­ti­ger, dass Inhal­te ver­tret­bar sind. Damit mei­ne ich jetzt nicht zwin­gend, dass man auf vul­gä­re Spra­che ver­zich­tet, aber ich fin­de, dass es an der Zeit ist, auf bestimm­te Sachen zu ver­zich­ten. Sexis­mus ist immer noch mega­groß im Rap. Man kann heut­zu­ta­ge als nicht sexis­tisch wahr­ge­nom­men wer­den, obwohl man noch immer sol­che Musik macht. Denn es gibt so extrem sexis­ti­sche Musik, dass Lines wie "Die Bitch will sich mit mir tref­fen, aber ich gehe nicht ans Tele­fon ran" im Ver­gleich nicht als sexis­tisch wahr­ge­nom­men wer­den. Natür­lich ist das eine pro­ble­ma­ti­scher als das ande­re, doch am Ende greift das immer in die­sel­be Schub­la­de: Die Frau stellt ein Objekt dar, das nur benutzt wird, wenn ich gera­de Bock drauf habe. Das ist extrem pro­ble­ma­tisch. Gewalt und Homo­pho­bie sind eben­so pro­ble­ma­tisch. Ich fin­de es legi­tim, wenn man von der Stra­ße kommt und Stra­ßen­mu­sik macht, dass man das nicht kom­plett aus­ra­die­ren kann. Wenn ein 19-​Jähriger vom Kiez andau­ernd "F*tze" in sei­nen Songs sagt, fin­de ich das nicht so pro­ble­ma­tisch, wie wenn der­sel­be Typ zehn Jah­re spä­ter vor mir steht und immer noch die­sel­be Musik macht. Klar kann es sein, dass der sich zehn Jah­re spä­ter immer noch in den­sel­ben Krei­sen bewegt. Aber vie­le machen es nur wei­ter, weil es sich gut ver­kauft, und nicht, weil man immer noch in die­ser Bubble gefan­gen ist, in der die­ses Voka­bu­lar fest ver­an­kert ist. In Bezug auf mei­ne Text­zei­le sind vie­le die­ser Aus­sa­gen auch eine Form des Beiseite-​Schiebens. Man tut so, als kön­ne man die­se Inhal­te recht­fer­ti­gen, weil es sich gut ver­kauft und man damit auf­ge­wach­sen ist. Nach dem Mot­to: "Das macht ja jede:r und ich muss irgend­wie Geld ver­die­nen." Das ist aber in ande­ren Lebens­be­rei­chen ähn­lich, wenn ich zum Bei­spiel für einen Groß­kon­zern arbei­te. Man muss sich die Fra­ge stel­len, ob man für ein Unter­neh­men wie Nike, das sei­ne Schu­he von Kin­dern pro­du­zie­ren lässt, oder lie­ber für einen Fairtrade-​Kleidungshersteller arbei­ten will. Hier schiebt man sei­ne Emo­tio­nen oft bei­sei­te, weil man Geld als wich­tig emp­fin­det und über­le­ben will. Das kann dann am Ende dazu füh­ren, dass man die­se mora­li­schen Wer­te völ­lig ver­liert. Aus dem ewi­gen Recht­fer­ti­gen wird dann ein Legi­ti­mie­ren. Das ist mit fal­schen Vor­bil­dern in der Musik wie mit fal­schen Vor­bil­dern in der Arbeitswelt.

MZEE​.com​: Was nimmst du künst­le­risch von die­sem Pro­jekt mit?

Inspek­tah: Aus sol­chen Pro­jek­ten nimmt man immer etwas mit, denn man lernt neue Sachen dazu. Es ist ein end­lo­ser Trai­nings­pro­zess in Bezug auf Rap­pen und Musik. Ich bil­de mich ste­tig wei­ter und pro­fi­tie­re davon, ohne das bewusst wahr­zu­neh­men. Musi­ka­lisch wird es immer sehr raplas­tig blei­ben. Sin­gen liegt mir nicht, selbst mit Auto­tu­ne kann ich das nicht so gut. (lacht) Ich habe seit "Fer­di­nand" aber über­legt, ob ich mir viel­leicht ein zwei­tes Alter Ego zule­ge, mit dem ich gezielt Rap für Kin­der mache. Obwohl ich glau­be, dass mei­ne aktu­el­len Sachen sowie­so kind­ge­recht sind. Das Ein­zi­ge, was ich schwie­rig für Kin­der fin­de, ist das Kif­fen – und selbst dar­über rede ich mitt­ler­wei­le sehr wenig. Am Ende den­ke ich mir, wenn ich mit 12 bis 13 Jah­ren den "Arsch­fick­song" von Sido gehört habe, dann ist mei­ne Musik ver­gleichs­wei­se sehr unpro­ble­ma­tisch. Des­halb mache ich ein­fach wei­ter wie bis­her und bin für alle Alters­grup­pen zugäng­lich. Wenn ich über deepe­re The­men rede, holt das ein Kind nicht so doll ab wie jeman­den, der die­sel­ben Strug­gles hat. Aber wenn man har­ten Rap hören will, der nach vor­ne geht, gibt es bei mir auch etwas zu fin­den. Bei den Kids geht es meis­tens um "Rap-​Rap". Das kann ich ganz gut, ohne dass ich mich über­flüs­si­ger Spra­che bedie­ne, die längst aus­ran­giert sein sollte.

MZEE​.com​: Wir haben den Song "Was ich mein 2.0" schon mehr­fach ange­spro­chen: "Hör' auf dir zu sagen, du hast kein Talent." – Was wür­dest du Men­schen mit­ge­ben, die sich nicht trau­en, ihre Lei­den­schaft künst­le­risch auszuleben?

Inspek­tah: Trai­nie­ren. Ich habe frü­her viel Fuß­ball gespielt, obwohl ich kein Talent hat­te. Irgend­wann konn­te ich aber so gut spie­len, dass ich selbst damit zufrie­den war, mei­ne Tore geschos­sen habe und einen Mehr­wert für mein Team dar­stell­te. Mit Rap war das nicht anders. Ich war schei­ße schlecht am Anfang. Wenn ich euch mei­ne ers­ten Sachen zei­gen wür­de … Das war nicht nur inhalt­lich eine Kata­stro­phe, son­dern auch rap­t­ech­nisch. Eine gute Freun­din von mir, Lia Şahin, hat mal zu mir gesagt: "Wenn man in irgend­was Meis­ter sein will, muss man das ein­fach nur 1 000 Stun­den gemacht haben." Wenn du das ernst­haft machst, wirst du auch ein Level errei­chen, das dir selbst genügt, und dar­um geht es in dem Song. Am Ende ist wich­tig, dass es dich glück­lich macht und du ein Level erreichst, das dir Spaß macht. Das i-​Tüpfelchen ist dann natür­lich, wenn du damit Erfolg hast. Aber am Ende machst du das, weil du Bock drauf und Spaß dar­an hast.

(Alec Weber & Malin Teegen)
(Fotos von Niklas El-​Mahdi, what­sup­ni­ni & What's pop­pin pictures)