"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Irgendwann im Winter 2023 – mir war kalt. Ich saß nachts als Beifahrer in einem Auto und fuhr über die Grenzen im Dreiländereck zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Selbstverständlich waren die Boxen aufgedreht, um Musik zu hören. Neben einigen Rap-Klassikern ertönte irgendwann eine Demoversion des Tracks "Vielleicht" von Lupara Versato, BiG C. und Brongo. Der Track erzeugte, trotz der kalten Nacht, eine wundervoll warme Stimmung.
Der Song catchte mich sofort und ich konnte kaum abwarten, dass Lupara, BiG C. und Brongo einen offiziellen Release-Termin ankündigten. Glücklicherweise musste ich nicht lange warten und "Vielleicht" erblickte bereits im Januar das Licht der Welt. Schon die ersten Takte des Beats von Tone Malandrino versetzen mich bei jedem Hören in eine nachdenklich-melancholische Stimmung, die mich dazu bringt, noch genauer auf die Lyrics zu achten. Umso besser, dass Lupara einsteigt mit "Vielleicht reicht, was ich erreicht habe. Vielleicht ist es besser, wenn ich nicht mehr 'vielleicht' sage". Sein gesamter Part wirft emotionale und tiefsinnige Fragen auf, ohne auch nur für eine einzige Zeile in die Klischee-Kiste abzurutschen. Den zweiten Part übernimmt der französischsprachige Rapper BiG C. und dementsprechend verstehe ich nahezu kein Wort. Trotzdem fügt sich sein Text perfekt in das Instrumental ein und funktioniert für mich wie ein weiteres Element des Beats. Abgerundet wird das Ganze durch die herzerwärmende Hook von Brongo, welche auf Englisch eingesungen ist und die Stimmung und den Inhalt von Luparas Part stilecht weiterträgt: "Wake up and feel the sound!" Der versierte Rapper releast nicht gerade am Fließband, dafür aber stets mit höchster Qualität. Das macht Songs wie "Vielleicht" umso wertvoller.
Der Track wird mich stets an einen schönen Moment im Dreiländereck erinnern, gerade weil er selbst die Inkarnation des Zusammenflusses unterschiedlicher Sprachen und Kulturen ist. Hier treffen Englisch, Französisch und Deutsch nicht nur aufeinander, sondern wachsen organisch zusammen und erzeugen ein warmes Gefühl, das so nur in Musik konserviert werden kann.
(Alec Weber)