"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Inzwischen geht es mir wie den meisten Menschen … Meine musikalische Aufmerksamkeitsspanne ist dahingerafft wie die Sympathie für Kanye. Ich kann mich immer seltener dazu motivieren, ein ganzes Album am Stück zu hören – selbst wenn ich es schon kenne. Diesen Sommer aber saß ich in einem Auto, das stundenlang italienische Serpentinen entlangfuhr und die Musikauswahl folgte einem bestimmten Kriterium: Wir spielten abwechselnd ganze Alben, die wir gerne nennen, wenn es darum geht, welche für uns nur als solche ein Kunstwerk ergeben. Für mich war relativ schnell klar, dass "Ego" von Danitsa in meiner Auswahl nicht fehlen darf.
Die Straßen sind dunkel und das Fernlicht des kleinen Autos leuchtet jede Kurve aus, während die Schweizerin mit ihrem souligen Stück "Now" ihr vielseitiges Album beginnt. Man vermutet die Power der weiteren Songs noch nicht, die sich erst nach und nach aufbaut. Es wird nahezu leise in etwas fast schon Brachiales eingeleitet. Eigentlich sind die Songs zu ruhig, zu gefühlvoll, um sie als brachial zu bezeichnen, doch das Temperament der Künstlerin lässt es zu. Vor allem in Danitsas Stimme liegt so viel Kraft und Emotion, dass mir Songs wie "Bad Luck", "Captain" und "Hoover" besonders gut gefallen. "Repo Man" ist für mich aber der Star der Platte. Allein die erste Zeile sagt schon alles über den Vibe des Songs: "Catch me in the club with my new Versace. No, you can't touch it." Im weiteren Verlauf beschreibt sie das ambivalente Verhältnis zwischen ihrer Liebe zum Luxus und der Angst vor dem Schuldeneintreiber, der an ihrer Tür klopft: "They cut my electricity, they took my phone. But tonight's champagne, bring your friends along."
"Ego" von Danitsa mag vielleicht unter dem Radar schwirren, aber das ist meiner Meinung nach wirklich unberechtigt. Dieses Album macht nicht nur beim ersten, sondern auch noch beim zwanzigsten Mal extrem viel Spaß. Es lässt sich nur noch hoffen, dass in naher Zukunft nach fast drei Jahren mal wieder ein Album der Schweizerin erwartet werden kann.
(Yasmina Rossmeisl)