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YRRRE – Feinstaub

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: YRRRE mit "Fein­staub".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

"Und die 75 Cent rei­chen nur für eine Scheiß­wo­che" oder in mei­nem Fall nicht ein­mal für ein Bier. Muss ich mir eben Geld lei­hen – in einer frem­den Stadt, von einem frem­den Publi­kum. Dabei ist das Kon­zert schon gra­tis und die Fahrt dank Deutschland-​Ticket qua­si auch. Spon­tan habe ich mich auf den Weg gemacht, nach Bam­berg, zu einem Kon­zert von YRRRE. Eigent­lich ist es eine Lese­rei­se von PULS, mit YRRRE als Gast. So oder so ähn­lich begreift zumin­dest der Rest des Publi­kums den Abend.

Qua­si als Ein­zi­ger ste­he ich, statt vor der Büh­ne zu sit­zen, und rap­pe jede Zei­le mit. Mit wil­den Ges­ten unter­ma­le ich dabei die Anek­do­ten von "Kom­post­ton­nen" und "Germ­knö­del und Kana­pee", die sich in YRRREs Tex­ten tum­meln. So als wäre der Abend ein "Alle Hän­de hoch"-HipHop-Konzert und nicht zu einer Hälf­te Poet­ry Slam. An die­sen Moment erin­ne­re ich mich, wenn ich YRRREs Album "Fein­staub" höre. Wie an dem Kon­zert­abend geht es um das Umher­zie­hen ohne Plan, einen locke­ren Umgang mit dem Schei­tern und etli­chen Cha­rak­ter­schwä­chen. Schließ­lich ist YRRRE selbst ein "Pis­ser", der sich das Leben schön­trinkt, auf "40 mg" in Knei­pen und auf "King Kong Kicks"-Partys. Den Eska­pis­mus beschrei­ben sei­ne Rei­me, die in Schlan­gen­li­ni­en einem kon­kre­ten Bild aus­wei­chen, aber knal­len, als wäre man betrun­ken gegen eine Stra­ßen­la­ter­ne gelau­fen. Spä­tes­tens seit die­sem Album soll­ten die war­men Instru­men­tals von Cap Kendricks in jedem Koks­ta­xi laufen.

Apro­pos Dro­gen … Auf der Suche nach dem feh­len­den Geld für ein Bier ver­su­che ich es bei der ein­zi­gen Per­son auf der Lese­rei­se, die ich ken­ne: YRRRE. Ja, "ken­nen" ist ein Euphe­mis­mus für "para­so­zia­le Bin­dung" durch Insta­gram, aber YRRRE legt mir trotz­dem nicht nur etwas Geld, son­dern gibt mir gleich das Bier aus. Nach unse­rem Gespräch zwi­schen drei Kip­pen und den Kon­zert­hälf­ten geht der Sound von "Fein­staub" noch mal so rich­tig für mich auf. Koks­ta­xis und "King Kong Kicks"-Partys gibt es wohl eher in Ber­lin, trotz­dem erin­nert mich "Fein­staub" immer an die­sen Gratis-Abend.

(F3joso)