Das ist schon krass. Ich hab als Kind zwar die gesamten 90er mehr oder weniger bewusst miterlebt, aber wäre nie auf die Idee gekommen, dass das so ist oder jemand so denkt. Ich hab erst Jahre später mitbekommen, was die Politik da bis 1997 veranstaltet hat. War total geschockt und konnte mir gar nicht vorstellen, wie man das anders sehen kann.
Naja, Sinn der Ehe war ja der Verkehr; speziell nach christlicher Vorstellung als Asyl der eigentlich schlechten Lust. Entsprechend sind beide Partner wechselseitig zum Verkehr verpflichtet, bei Paulus, bei Augustin, erst recht bei Luther, der ja das Zölibat abgelehnt und die Ehe als normale christliche Lebensform höher gestellt hat. Frauen haben im Mittelalter durchaus ihre Ehemänner verklagen können, wenn es diese im Bett nicht brachten.
Gegen 1950/60 hat sich dann die westliche Sexualmoral komplett umgestellt: Von einem überpersönlichen Regel- und Normensystem (traditionell, religiös, mit der Aufklärung dann medizinisch-ethisch: wer darf mit wem an welchen Tagen in welcher "Positur" etc., was ist Sakrileg oder später dann: "ungesund" bis "abartig") zu einem anything goes in all diesen Hinsichten (Poposex auch am Ostersonntag außerhalb der Ehe, kein Ding), aber 1.) abhängig vom Willen der Partner, der 2.) nicht mit der Eheschließung als automatisch gegeben angenommen wird.
Nun war die oben skizzierte Vorstellung seit Paulus noch bis ins BGB von 1900 gelangt: Ehelicher Verkehr war Pflicht, folglich konnte Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand sein. Wie Daffy schon richtig festgestellt hat, konnte die Tat trotzdem noch als Körperverletzung, Nötigung etc. geahndet werden, wenigstens theoretisch, ob das praktisch groß eine Rolle spielte, weiß ich nicht.
Jedenfalls hat es halt einfach 30, 40 Jahre gedauert, bis die deutsche Legislative auf den genannten epochalen Mentalitätswandel reagiert hat. Das ist auch schon alles.