Kollegah - Alphagene
Releasedate: 16.11.2007
Wertung: 7,2 / 10 Punkte
Nachdem Kollegah Support auf der Donnerwetter Tour war und ein paar Tracks und Parts zum Sampler beisteuerte,
machte er sich an die Arbeit zum mittlerweile auch groß erwartetem ersten Soloalbum. Das sage ich nicht,
weil ich das damals so gefühlt habe (was so war), sondern dass auch die Reviews der ersten beiden Mixtapes bei
gängigen Musikmagazinen gut ausfielen und dort bereits die Frage aufgebracht wurde,
wie man die Punchlinefeuerwerke der Mixtapes auf Albumlänge noch toppen könnte.
Auch auf Mzee wurde das Album heißt erwartet, der Thread zählt heute 80 (!) Seiten, das schafft wohl nur
noch unser Gossip heutzutage
(hier zum nachschlagen:
https://www.mzee.com/forum/threads/kollegah-alphagene-ab-16-11-alle-infos.311729/ )
Laut eigener Aussage nahm er sich deutlich mehr Zeit für die Texte und den gesamten Entstehungsprozess und
hatte privat noch mit einer Anklage wegen Drogenbesitzes zu tun, was in einer Ableistung von 300 Sozialstunden resultierte.
Zum Album an sich kann ich sagen, dass ich persönlich es damals totgehört habe, ehe es von besseren Releases abgelöst wurde.
Später habe ich es kaum noch gepumpt, weil ich in Erinnerung hatte, dass das Album zu viele Fillertracks hatte, obwohl einige starke Tracks drauf waren. Durch andere Releases und der späteren Entwicklung der Figur Kollegah habe ich das Album bis auf einzelne Tracks jahrelang nicht gehört und habe es heute (und in Teilen schon gestern) reingeworfen beim Einkaufen. Das Album hat mich in mehrfacher Hinsicht überrascht.
Das Album hat 20 Tracks und eine Spielzeit von knapp 72(!) Minuten, auch hier kann man festhalten: An Quantität hat es
bei Kollegah nie gelegen, die Alben sind eigentlich alle durchweg sehr lang, was mir grundsätzlich sympathisch ist.
Executive Producer war Slick One, 10 Produktionen kommen von Rizbo, 5 vom RBA-Kollegen JAW (bzw. dem routinierten Konnegah),
sowie von SixJune, Vizir, Nace&Shalla sowie Jimmy Ledrac.
Auch die Featuredichte ist mit Favorite, K.I.Z., dem wohl überraschendstem Feature Bass Sultan Hengzt, DeineLtan, unserem Gossip-Helden Toony, Sahin sowie Tarek K.I.Z. und Slick One ziemlich hoch.
Im Grunde genommen macht das Album zuerst einmal viel richtig, weil es die Erwartungen an ein Soloalbum erfüllt:
Es ist
facettenreicher, was sowohl an den Features, als auch an der Themenvielfalt liegt (Ein Junge weint hier nicht, Alles was ich hab, Einzelkämpfer, Sie hassen uns), auch die "Dealer"-Trilogie trägt dazu bei. Es ist vereinzelnd auch persönlicher, es vernachlässigt die Kernkompetenz des Zuhälterraps aber nicht und ich finde man hört raus, dass Kollegah hier versucht hat,
bei manchen Tracks noch eine Schippe draufzulegen.
Los geht es mit einem soliden Intro, bevor mit Vini, Vidi, Vici einer der stärksten Tracks von Kollegah überhaupt kommt. Ich finde auch heute noch, dass der Track von A-Z stark ist ( "Deutschrap ist wie Mikado - jeder Spast hat seine Finger im Spiel"), Kollegah hat hier auch richtig Druck in der Stimme.
Alphagene ist ein Laid-Back-Kollegah, den man mag ("Ey kumma kein Grund zur Panik, ..., ich geh kurz paar Mal Gold und dann bin ich auch schon wieder weg verstehste?" - das war gelogen),
Showtime 3 ist zweifellos ein Punchline- und Doubletimefeuerwerk (und besser als Showtime 2, jedoch schlechter als Nr.1) und
Kuck auf die Goldkette 2007 eine gelungene Fortsetzung. Bereits auf den ersten Tracks - ob sie einem jetzt gefallen ist erstmal egal - wurde meiner Meinung nach die Messlatte für Punchlines und Technikrap höher gesetzt, da kam zu der Zeit keiner ran.
Die
Dealer-Trilogie hat für mich ebenfalls ihren Charme, diese Eurodance-Trash-Hook in
Vom Dealer zum Star ist wohl die Definition eines guten B-Tracks und
Star (Afterlude) - auf Spotify nur "Skit" genannt- hat Humor und (minimale) Tiefgründigkeit zugleich.
Auch an den
Features habe ich nahezu überhaupt nichts auszusetzen: BSH liefert einen soliden Part ab, DeineLtan harmonieren gut mit Kollegah,
Selfmade Endbosse ist die wohl beste Kollabo von Kollegah & Favorite ("Ey du willst gerne mal mit Samy chillen, ich geb Dir Hoffnung" - "wie denn?" - "Ein Box und du hängst schon mal mit Tropf rum"), Toony stört nicht, K.I.Z.-Parts sind alle gut und Slick One & Tarek K.I.Z. passen thematisch, auch wenn Slick eben Slick ist. Lediglich Sahin passt auf
24/7 überhaupt nicht und ist trotz guter Parts ein absoluter Skiptrack.
Ich glaube, dass das wirklich Faszinierende an dem Album zur damaligen Zeit war, dass diese Art des Teekesselchenraps in Kombination mit Mehrfachreimeketten, Vergleiche, Wortspielereien und (Doubletime-)Technik einfach als richtiges Album komplett neu war und der gemeine HipHopHörer über vieles hinweggesehen hat, einfach weil man die Lines so gefeiert hat - Ähnlich ging es mir z.B. bei KKS zu früheren Zeiten, da war es mir fast schon egal, wie der Beat war oder die Hook.
Darin liegt für mich der wesentliche Unterschied und das
Negative: Heutzutage ist man von Kolle-Lines häufig übersättigt und darüber hinaus kommen später noch stärkere Alben (warum also sollte ich Alphagene hören?), weswegen das Augenmerk aus heutiger Sicht eher auf dem Gesamtwerk liegt und der
Sound dieses Album ist meiner Meinung nach
durchwachsen. Überrascht hat mich das Album deswegen, weil ich es als deutlich
homogener wahrgenommen habe, als ich es in Erinnerung hatte. Ich habe
kaum Skiptracks (24/7), aber
die meisten Produktionen sind eben durchschnittlich. Ein Paradebeispiel ist
Showtime 3: Ja, das ist alles beeindruckend gerappt, aber der Beat ist halt einfach ein 08/15-Rizboplastikbeat (hier soll er später noch bessere Arbeit leisten).
Machomannstyle mit BSH ist auch so ein Fall: Ja, beide Parts sind gut, aber Hook und Produktion machen keine Lust auf den Repeat-Knopf, genauso wie
Endlevel . Alle Tracks sind nicht furchtbar und können nebenbei laufen, aber dabei bleibt es eben auch. Man kann es auch kürzer machen:
Das Album ist schlechter gealtert als die ZHTs, es ist aber trotzdem kein schlechtes Album.
Positiv hervorzuheben ist, dass viele Parts auch heute noch einen Großteil der Deutschrapper in die Tasche stecken und dem Album kann man anhören, dass sich hier für die Lines und das Gesamtwerk auch viel Mühe gegeben bzw. Gedanken gemacht wurden. Es hat Witz, Punchlines en Masse, Wortspiele und Technikfeuerwerke. Selbst bei den tiefgründigeren Tracks hatte ich nicht das Gefühl, dass das kurz hingerotzt wurde. Außerdem hat das Album wirklich
starke Höhepunkte und daher sind die
Anspieltipps: Veni Vidi Vici und Selfmade Endbosse ganz oben, dann Alphagene, Kuck auf die Goldkette 2007, Dealer-Trilogie, Legenden und aufgrund der Punchlines auch Pokerfacekönig und der Boss hängt voll Gold.
Vermeiden: 24/7 - der übrigens nicht auf Spotify vertreten ist (vermutlich wegen der Line "Ich mach Asche wie n KZ-Ofen")
Es ist für mich bislang auch das Album, was für mich am Schwierigsten zu bewerten ist. Ein fast rundes Album mit Top-Lines, -Technik, Quantität, vielen guten Features und ein paar richtige Highlights stehen einem überwiegend durchschnittlichem, häufig veraltet wirkendem Sound gegenüber. Ich schätze aber die Mühe, vorerst vergebe ich 7,2
/ 10 Punkte.
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