Es wird höchste Zeit, dass in Deutschland die Dimension der Herausforderung begriffen wird, die der Putinismus nicht nur für die internationale Rechtsordnung und die Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens der Staaten und Nationen in Europa, sondern für die liberale demokratische Zivilisation des Westens insgesamt darstellt. Massiv treibt Putin derzeit die Gleichschaltung der russischen Gesellschaft voran – gemäß einer Ideologie, die einen mystischen großrussischen Nationalismus mit der Restauration sowjetischer Herrschaftspraktiken kombiniert. Kritiker werden als „Vaterlandsverräter“ denunziert und mundtot gemacht, verbliebene Menschenrechtsgruppen und regierungskritische Sender ausgehoben, und nationale Mobilisierungsituale aus der Stalin-Ära wiederbelebt.
Nichts weniger will Putin damit erschaffen als ein autoritäres Gegenmodell zu den von ihm als schwächlich und verkommen verachteten westlichen Demokratien mit ihrem Pluralismus der politischen Strömungen und Lebensweisen sowie ihrem hedonistischen Egalitarismus, der sogar Schwulen erlaubt, so zu leben, wie sie es wollen. Dafür genießt Putin auch im Westen wachsende Sympathie und Unterstützung, von ganz links bis ganz Rechts. Keinen der sozialdemokratischen, liberalen und linken „antifaschistischen“ Beschwichtiger und Putin-Versteher scheint es aber zu beunruhigen, dass sich extreme Rechte und Rechtspopulisten in Europa, vorneweg die französische Front National, auf die Seite des Putin-Regimes geschlagen haben, weil sie dessen Projekt einer neuen antiliberalen Weltordnung teilen. Lieber warnt man rituell vor dem Einfluss der rechten Swoboda-Partei im ukrainischen Übergangskabinett, die in aktuellen Umfragen bei etwa fünf Prozent liegt (ihr Präsidentschaftskandidat bei unter zwei Prozent) – und die kürzlich mit dem Bündnis rechter Parteien in Europa wegen dessen Parteinahme für Putin gebrochen hat.