So fanden die Forscher dann auch heraus, dass sich die Klickzahlen auf Spotify mit selbst programmierten "SpotiBots" durchaus nach oben treiben lassen. Für Spotify ist das ein sehr heikler Aspekt, denn er bedeutet ja, dass sich digital manipulieren ließe, wie viel - oder wie wenig - Lizenzgebühren der Dienst am Ende des Monats an eine Plattenfirma oder einen Künstler ausbezahlen muss. Die Forscher manipulierten nicht die Streaming-Statistiken von Pop-Größen wie Katy Perry oder Drake, sondern spielten automatisiert Stücke ab, die sie selbst auf Spotify geladen hatten. Ganz so einfach ist das wiederum nicht. Musiker, die nicht bei einem der drei großen Plattenkonzerne Universal, Sony oder Warner unter Vertrag stehen (sie alle halten Anteile an Spotify, so wie auch Coca-Cola, Goldman Sachs und diverse Venture-Kapital-Firmen), müssen über sogenannte Aggregatoren gehen, wenn sie Musik auf Spotify anbieten wollen. Aggregatoren sind Dienste, die Spotify zuarbeiten und nach Kriterien, die nicht immer klar sind, eingesandte Dateien auf Tauglichkeit prüfen. Sie nehmen dafür rund 15 Prozent der Einnahmen. Die Bewertung erfolgt algorithmisch.
Da entscheiden dann also Musik-Analyse-Algorithmen, ob die angebotene Datei wirklich Musik enthält oder nicht. Und winken dann Küchengeräusche durch: Der Track "Kaffe" des von der Forschergruppe erfundenen Künstlers Fru Kost (Frühstück) wurde auf Spotify so häufig gestreamt, dass sie immerhin Anspruch auf 6,28 Dollar gehabt hätten. Das ist lustig, aber auch bitter. Die Beschwerden der Musiker, dass die Vergütung von etwa einem halben US-Cent pro Stream viel zu wenig sei, reißen ja nicht ab. Zugleich gilt Spotify als der Retter der Musikindustrie, als der Streaming-Dienst, der es geschafft hat, die beste Alternative zur Raubkopiererei, die der Industrie in den Nullerjahren so zusetzte, zu entwickeln. Zur Rettung gehört allerdings nun auch, dass ein Fünftel der über 30 Millionen Tracks auf Spotify nicht ein einziges Mal angeklickt worden sind. Die Forscher kennen einen schönen Namen für diese digitale Geistermusik: Forgotify. Das krasse Überangebot ist aber auch eines der Verkaufsargumente von Spotify. Und um dieser riesigen Daten-Massen irgendwie Herr zu werden und sie zu aktivieren, vollzog der Dienst dann, wie die Forscher in ihrem Buch schreiben, um 2013 den "curatorial turn" - die Wende hin zur algorithmisch und/oder menschlich kuratierten Playlist, und damit: eine Wandlung vom Kulturbereitsteller zum Kulturproduzenten.