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""Südlichter"
(Eigenvertrieb)
HipHop-Hochburgen in Deutschland sind ganz grob gesagt sicher Hamburg, Stuttgart, Berlin und Frankfurt. Aber auch in Soest, Schwerin, Saarlouis oder eben im Schwarzwald wird gerappt und gescratcht, was das Zeug hält. Einen guten Überblick über die Aktivitäten am Rande des Black forest gibt der Sampler "Südlichter". Auf rund 70 Minuten und 18 Tracks präsentieren sich hier zehn Rapper und Crews, die über das Stadium des blutigen Anfängers schon hinaus sind. Und entsprechend hört sich das Material auch an: Fast durchweg professionell produziert, mit gelungenen Instrumentals unterlegt und von kompetenten Rappern gestaltet.
"Hast du mal ein bisschen Zeit?" fragen Tomez, Tide und Seriouz im "Opening". Die Frage beantwortet man gerne mit "Ja" und freut sich dann, dass die MCs sich und ihre Kunst ernst nehmen, nicht die Ami-Kollegen kopieren und in der Regel nicht über Unsinn schwadronieren und Statussymbole aneinander reihen. Vergleichsweise smooth geht es in "Der erste Joint" von Dichte Dichta zu. Der Track groovt und hat mit seinen Gitarrenlicks auch Reggae-Einflüsse. "Halt Dein Ohr an die Box und genieße Dichte Dichta", fordern die Rapper. Deutlich tiefsinniger gibt sich Tide über einem Geigen-Loop und liefert in einem atemberaubenden Tempo bei "Maindreamworld" seine Sicht der Dinge. "Ich muss schreiben, denn ich spüre, wie es in mir lebt", beschreibt er seine Motivation. Mein Favorit ist das folgende "Positiv wie HIV" des nur einmal vertretenen Erka. Zu düsteren Orgel-Sounds rappt er einen nachdenklichen Text über Krisen und seine Art der Bewältigung. "Wo wäre ich ohne Sound, wo wäre ich ohne Kraut", fragt der bekennende Kiffer. "Manchmal will ich schreien, doch ich bin zu dicht. Dann renn ich heim und heul mich aus in meinen Stift", beschreibt er später.
Grober ist Seriouz drauf, der beim spartanischen „Shoot out“ kräftig battelt. Besser ist da sein Track "Textprozess" mit einem Sound, der an Filmmusik erinnert. Tide, der an fünf Tracks der CD beteiligt ist, gibt mit dem durchdachten "Metasicht" einen Hinweis auf das praktische Leben als Rapper: "Ich will die Musik vorantreiben, auch wenn mein Studium leidet". Er hat übrigens schon einen Deal mit 3p Songs, wo seine Stücke verlegt werden. Ein weiterer Klasse-Track ist auch "Lava", in dem Tomez mit seiner Ex-Freundin abrechnet, die ihn betrogen hat. Neben zahlreichen krassen Zeilen gibt es aber auch das fast zärtliche "Ich wäre gerne ihr Macker, wie all die Jahre lang." Ordentlichen Drive mit echten Instrumenten zeigen schließlich die Grenzgenga bei den Schlussstücken "Mexican style" und "Hinterhof".
Die Südlichter machen ihre Sache schon verdammt gut, und man darf nicht vergessen, dass alles entstanden ist ohne Plattenfirma und viel Geld im Hintergrund. Mir scheint, dass die Jungs in der lokalen Szene schon Jahre aktiv sind, bevor sie sich jetzt einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren. Da die Rapper größtenteils auch die Instrumentals selbst gemacht haben, gebührt ihnen dafür ein besonderes Lob. Zu wünschen wäre, dass die 18 Tracks eine breite Resonanz erreichen und die Südlichter bald bundesweit zeigen, dass der Schwarzwald HipHop-technisch nicht der Arsch der Welt ist.
Volker"
Quelle:
http://www.allesreal.de/mag.php?site=review&id=412.com