Die Naturwissenschaft und das wissenschaftliche Denken kann schon deshalb nichts vom Subjektiven halten, weil es erstens privat und individuell ist und niemand da hinschauen kann. Es kann nicht öffentlich und allgemein zugänglich werden, und solange etwas nicht öffentlich und allgemein zugänglich ist, lässt sich nichts darüber sagen. Die Person, die Auskunft gibt, könnte sich täuschen – oder andere täuschen. Sie könnte lügen, oder wenn sie nicht lügt, nur einer Illusion unterliegen. Sie mag denken und glauben, dass ihr dieses oder jenes zugestoßen ist, dabei mag das nur eine Täuschung sein, Selbsttäuschung. Für die Wissenschaft muss die Wahrheit also objektiv sein: Andere müssen in der Lage sein, daran teil zu haben, so dass wir beurteilen können, ob es sich tatsächlich so verhält.
Zweitens muss wissenschaftliche Wahrheit so sein, dass sie sich wiederholen lässt, sie muss wiederholbar sein. Wenn wir Wasser erhitzen, verdampft es bei einer bestimmten Temperatur – das muss wiederholbar sein. […]
Die subjektive Erfahrung hingegen ist nicht wiederholbar – sie ist noch nicht einmal vorhersagbar. Und man kann sie nicht herbeiführen. Sie geschieht. Man kann sie nicht zwingen. Du magst eine tiefe Meditation erreichen, magst eine sehr erhabene Gipfelerfahrung haben, aber wenn jemand sagt: „Wiederhole das bitte hier“, wirst du kaum in der Lage sein es zu wiederholen. Im Gegenteil, wenn jemand das sagt und du dich bemühst, es zu wiederholen, kann dieses Bemühen selbst zur Schranke werden. Schon die Anwesenheit von Beobachtern kann hinderlich sein, und damit wärst du nicht in der Lage, es zu wiederholen.
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So können sich Wissenschaft und Religion im Grunde nie begegnen, weil sie verschiedene Ansätze haben. Religion ist absolute Privatsache – da ist der Einzelne mit sich selbst befasst. Aus diesem Grund sind Länder, die in der Vergangenheit mehr Wert auf Religion gelegt haben, individualistisch geblieben. Zum Beispiel Indien. Indien ist individualistisch – bis hin zur scheinbaren Selbstsucht. Jeder ist nur mit sich selbst, seinem eigenen Wachstum, seiner Erleuchtung und nicht mit anderen beschäftigt, gleichgültig gegen andere, gleichgültig gegen die Gesellschaft, die gesellschaftlichen Bedingungen, die Armut, die Sklaverei. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, damit, dem allerhöchsten Gipfel entgegenzuwachsen. Das erscheint selbstsüchtig.
Westliche Länder sind sozialistischer, weniger individualistisch. Darum war die bloße Idee des Kommunismus für den indischen Geist nicht nachvollziehbar. Wir haben einen Buddha, einen Patanjali hervorgebracht, aber wir hätten nie einen Marx hervorbringen können. Das musste aus dem Westen kommen, wo die Gesellschaft, das Kollektive wichtiger ist als der Einzelne, wo Wissenschaft wichtiger ist als Religion, wo das, was objektiv messbar ist, wichtiger ist als das, was in deiner absoluten Privatheit geschieht.
Alles, was öffentlich geschieht, nennen wir hier seit jeher Maya, Illusion. Shankara sagt, die ganze Welt ist Illusion; nur das, was tief in deinem Innern geschieht, das Allerhöchste, das brahman, das dort eintritt, ist wirklich, und alles andere ist unwirklich. Genau das Gegenteil davon ist die westliche Wissenschaftshaltung: Alles, was in dir geschieht, ist illusorisch; nur das äußere Geschehen ist das Wirkliche. Die Wirklichkeit ist da draußen, und die Traumwelt ist da drinnen.
Das sind die beiden Einstellungen – so verschieden, vom Ansatz her diametral entgegengesetzt, dass ein Zusammentreffen nicht möglich – und auch gar nicht nötig ist. Ihre Richtungen sind verschieden, ihre Sphären sind verschieden, sie kommen sich nirgends ins Gehege: Da ist überhaupt kein Konflikt. Die Wissenschaft arbeitet mit der objektiven Welt, und die Religion arbeitet mit der individuellen, mit der subjektiven Welt. Sie überschneiden sich nirgends. Da kann es keinen Konflikt geben.
Wenn ihr mit der Außenwelt arbeitet, dann tut es bitte mit einer wissenschaftlichen Haltung. Wenn ihr an euch selbst arbeitet, dann tut es mit einer subjektiven Haltung. Und schafft keinen Konflikt – das ist nicht nötig. Holt die Wissenschaft nicht in die Innenwelt hinein und holt die Religion nicht in die Außenwelt hinein.
Wenn ihr Religion in die Außenwelt bringt, werdet ihr Chaos stiften. In Indien haben wir das getan – es ist ein Schlamassel. Wenn ihr eine wissenschaftliche Haltung ins Innere bringt, werdet ihr Wahnsinn stiften – genau das hat der Westen getan. Heute ist der Westen komplett neurotisch. Und beide haben den gleichen Fehler gemacht.
Lasst die Subjektwelt subjektiv sein und lasst die Objektwelt objektiv sein. Wenn ihr nach außen geht, seid wissenschaftlich und objektiv, und wenn ihr nach innen geht, seid religiös und subjektiv.
Es ist nicht nötig einen Konflikt zu schaffen. Es besteht keiner. Der Konflikt entsteht nur, weil wir beiden Welten unbedingt ein und dieselbe Haltung überstülpen wollen. Wir wollen beide entweder total wissenschaftlich oder total religiös machen – ein großer Fehler. Im Objektiven hat die subjektive Haltung nichts zu suchen; ja, sie wäre gefährlich, verheerend; und umgekehrt genauso.