Wie sah die Szene denn vor zehn Jahren aus, kannst Du das mal beschreiben?
Es war kleiner, die Leute waren in deinem Alter, und du musstest dir den Arsch aufreißen, damit die Leute Spaß mit Dir gehabt haben. Da musstest du die erst mal überzeugen. Jetzt ist es so: Du hast ein Video auf Rotation und die Leute gehen beim Beat schon ab. Du musst gar keinen mehr überzeugen, für mich ist es einfach leichter geworden, die Leute zum Feiern zu bringen. Früher haben die Leute immer erst einmal geschaut, was der Typ da macht, und wenn es ihnen gefallen hat, dann sind sie nach vorne gekommen, und dann haben die einem auch Liebe zurückgegeben. Auch das ganze Drumherum war anders. Wir sind zum Beispiel nach Dresden gefahren, und da waren Leute, die genauso drauf waren wie ich. Da gab es keinen abgeschotteten Backstagebereich à la "Ey, ich will meine Ruhe haben." Da bist du reingegangen und hast mit den Typen gequatscht, Nummern ausgetauscht, vielleicht bist du eine Woche später wieder hingefahren, weil du ein Mädchen kennengelernt hast. Wir haben irgendwo im Osten ein Abschiedskonzert gegeben, da standen Typen mit freiem Oberkörper - die waren auch so 30, auch voll tätowiert und so - und ich habe gedacht: "Ey, das gibt heute auf jeden Fall Ärger." Die Typen sind dann hinterher angekommen und haben gemeint: "Hey, wir haben euch früher schon gehört und jetzt gehört, dass das euer letztes Konzert ist, und deswegen sind wir heute gekommen. Ihr seid euch immer treu geblieben und habt euch nicht verkauft." Das hat mir gezeigt, dass ich doch ein bißchen was bewirkt hab. Das hat mich stolz gemacht.
Wie lange wird denn Deiner Meinung nach der Boom noch anhalten?
Der Brocke arbeitet ja in einem Plattenladen, und der sagt, dass die Verkäufe im deutschen Bereich stark zurückgehen, und die Leute sich wieder an Ami-Scheiben orientieren. Ich denke, in drei Jahren ist das alles wieder ganz klein, dann hat die Industrie einen neuen Trend gefunden, und dann ist das abgeschrieben. Die Plattenfirmen bieten momentan viel Geld an, und die Leute nehmen es an und merken nicht, dass sie sich selbest zerstören und damit alles kaputt machen. In den 70ern war das mit dem Punk-Ding genauso.
Kann man mit deutschem Rap denn wirklich soviel Geld verdienen? Schließlich gab und gibt es nicht viele Alben, die es in die Top10 schaffen.
Ich will jetzt keine Namen nennen, aber ein Nachwuchsrapper aus Dortmund hat zum Beispiel auf der Maxi von Funky Chris eine Strophe gerappt und bekommt jetzt durch seinen Labeldeal einen Vorschuss von 65 000 Mark. Für mich ist das viel Geld, und der Typ hat bis jetzt noch nichts erreicht. Das musst du dir mal vor Augen halten. Wir haben auch einen sehr guten Vorschuss von Virgin bekommen, aber wir haben vorher insgesamt fünf LPs gemacht. Das steht in keinem Verhältnis zueinander, und ich fühle mich dadurch auch ungerecht behandelt.
Zahlreiche Labels haben ja viele neue Leute unter Vertrag genommen...
DefJam ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Die signen erst einmal alles, und wenn du nicht verkaufst, dann wirst du gedropped. Das ist bei jedem Majorlabel so. Ich bin auch nicht mehr bei Virgin. Die haben gesagt: "Sorry, tut uns leid, aber wir denken, dass sich dein Solo-Album nicht verkaufen wird." Aber ich denke mir: Hauptsache, man kann seine Miete bezahlen, hat etwas zum Essen, und dann ist doch alles in Ordnung.
Hast Du denn noch Kontakt zu Doze und Funky Chris?
Nein. Das hat sich so auseinander gelebt. Die machen jetzt Elektro-Sound. Die machen jetzt so mehr diesen Kraftwerk-Sound, und gehen jetzt auch mehr so Daft-Punk-mäßig ab, oder orientieren sich in den House-Bereich hinein. Aber das Ding ist ganz einfach: Wenn du aus dem HipHop kommt und acht Jahre nur HipHop programmiert hast, dann machst du keinen guten House- oder Elektro-Track. Dann musst du das erst einmal verstehen. Und um eine Sache zu verstehen, musst du dich erst einmal damit auseinander setzen. Nur weil du eine Drummachine oder einen Sampler bedienen kannst, kannst du jetzt nicht gleich einen Hit machen. Ich denke nicht, dass die Leute aus dem House-Bereich die auch wirklich ernst nehmen würden.
Auf "**** everything and run" hast Du den beiden ja mit dem Profan-Sample "Zum Formtief trainiert von schlechten Partnern" ja noch ordentlich einen mitgegeben.
Das war eigentlich Vergangenheitgsbewältigung, weil die haben mir auch so einen Spruch reingedrückt. Ich will auch gar nichts schlechtes über die beiden reden. Die machen ihr Zeug und ich mache mein Zeug. Vielleicht kommt ja eine Antwort von denen, dann wird das lustig.
Denkst Du denn, dass solche Battles HipHop nach vorne bringen?
Ich find das immer lustig. Zum Beispiel diese Battles mit Azad und Rene, oder Azad und Samy. Einer von denen bleibt auf der Strecke, wer das ist, ist scheißegal. Ich finde das aber eigentlich auch schade, denn beide sind gute Rapper. Warum pissen die sich an? Die können beide ein Stück vom großen Kuchen haben. Wenn man die Möglichkeit hat, eine Platte zu machen, dann erreicht man damit sehr viele Leute. Dann sollte man sich wirklich Gedanken machen, was man da macht, weil damit kannst du auch viel Scheiße anrichten. Es gibt einen Rapper aus Berlin - ich möchte auch hier keinen Namen nennen - ich weiß nicht, ob das gut geht, was der da macht. Das liegt auch momentan im Trend, die ganzen 16jährigen Kiddies stehen da und schreien "****en, ****en!" Das ist für mich vergleichbar mit "Den Doofen", die machen auch "Lieder, die die Welt nicht braucht." Wenn man jetzt wirklich das Medium hat, dann gebe ich doch mein Bestes. Dann versuche ich, den Leuten etwas von dem, was ich erlebt habe, zu geben oder versuche, es in eine Geschichte zu verpacken, damit die Leute es verstehen und zuhören. Eine der besten neuen Platten für mich ist in dieser Hinsicht "Pottential" von der RAG. Als ich die das erste Mal gehört habe, habe ich mir wirklich gedacht: "Ey, Jungs, was habt ihr da gemacht?" Ich hab sie mir zwei Mal angehört, drei Mal angehört, dann habe ich mich mit den Jungs auseinander gesetzt und gefragt: "Wie hast du das gemeint?" Dann haben sie es mir erklärt. Auf einer Skala von 1 bis 10 ist das eine glatte 11.