Die Versorgung im therapeutischen Alltag scheint sogar noch problematischer zu sein. Das belegt eine aktuelle Untersuchung, bei der mehr als 4000 Schüler und Studenten aus Tübingen über mehr als vier Jahre begleitet wurden. Fast dreihundert von ihnen machten in dieser Zeit eine Psychotherapie. Jenny Wagner von der Humboldt Universität in Berlin wollte wissen, wie das ihre Persönlichkeit beeinflusst hat. Das Ergebnis war überraschend.
„Also, sie haben beschrieben, dass sie weniger emotional stabil sind, mehr Ängstlichkeit haben in ihrem Alltag, dass sie also weniger gut sich sozusagen einlassen können auch auf andere Menschen. Das sind also wirklich negative Effekte gewesen, die wir da gesehen haben. Wir haben auch einen Anstieg in Depressionen zum Beispiel gesehen und eine Abnahme in Lebenszufriedenheit.“
Jenny Wagner und ihr Team konnten das kaum glauben und haben deshalb zusätzlich den Einfluss der Psychotherapie bei einer andere Gruppe untersucht, bei älteren Amerikanern.
"Also, auch da haben wir gesehen, diese negativen Effekte von der Psychotherapie gegeben hat auf die Persönlichkeitsentwicklung.“
Jenny Wagen weiß nicht, welche Art von Psychotherapie ihre Studienteilnehmer genutzt haben, oder wie lange und wie intensiv sie war. Das erklärt vielleicht einen Teil der Befunde.
„Da gibt es in den USA zum Beispiel Forschung dazu, die suggeriert, dass Therapeuten häufig gar nicht die Grundlagen der Therapie anwenden, die sie eigentlich mal gelernt haben, sondern eher eine lockere Gesprächsführung machen. Also ich denke, es ist zum einen, dass der Therapeut auch dabei bleiben muss. Wir wissen aber auch, dass natürlich Therapie nur dann funktioniert, wenn der Patient will.“