Interview mit Bushido, Hannes Lo, Güngör
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http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/666/55611/
Harte Texte und die Härte der Nazis
„Papa, Du weißt doch, das ist nur ein Lied“, aber so funktioniert Gruppensex: Ein Gespräch zwischen deutschen Rappern über Gewalt, Sex und Nationalismus in Liedern und Leben der deutschen HipHop-Szene.
Der deutsche HipHop sorgt seit Monaten für Schlagzeilen. Vor allem ist das den Berliner Krawall-Rappern wie Fler, Sido, Kool Savas und Bushido zu verdanken. Die haben durch sexistische, gewalttätige oder nationalistische Songs derart auf sich aufmerksam gemacht (siehe SZ vom 13. Mai), dass inzwischen die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien eingeschritten ist und sieben CDs indizieren ließ. Außerdem drohte Monika Griefahn, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, zuletzt damit, ein Sendeverbot für einige Videos durchzusetzen. Höchste Zeit also für ein Streitgespräch: Auf der einen Seite des Tisches saß der Rapper Bushido, der beim im deutschsprachigen Hardcore-HipHop führenden, unabhängigen Plattenlabel „Aggro Berlin“ anfing und mittlerweile bei einem der weltweit führenden Label „Universal“ unter Vertrag ist. Drei der fünf Alben von Bushido laufen derzeit durchs Indizierungsverfahren der Bundesprüfstelle, sie werden demnächst wohl nur mit Altersbeschränkung ab 18 Jahren erhältlich sein. Auf der anderen Seite saßen Hannes Loh und Murat Güngör. Loh war früher Rapper bei der HipHop-Band Anarchist Academy und ist mittlerweile Lehrer. Güngör war früher Solo-Rapper und ist Mitglied von „Kanak Attak“, einer Organisation, die sich gegen Rassismus einsetzt.
SZ: Herr Loh, Herr Güngör, in Ihrem Buch „Fear of a Kanak Planet“ beschreiben Sie die Geschichte des deutschen HipHop als Verdrängungsprozess: Die Migranten, die den HipHop hierzulande etabliert haben, wurden in den Neunzigern vom Spaß-HipHop der Neuen Mitte beiseite geschoben. Hier sitzt nun ein solcher Migrant und hat großen Erfolg. Freut Sie das?
Loh: Die so genannten Ausländer haben in den achtziger Jahren den HipHop hierzulande aufgebaut. Als ich anfing zu rappen, war ich der einzige Deutsche in einer bunten Clique. Aber da war es egal, wo ich herkomme. In den Neunzigern sahnten dann plötzlich neue deutsche Gruppen wie Fettes Brot und Fanta Vier ab. Die Plattenfirmen wollten nur „,Sommer, Sonne, Sonnenschein, ich bin furchtbar gern daheim.“ Ich kann den Frust verstehen, den das bei vielen Rappern ausgelöst hat. Die krassen Texte, mit denen die Berliner Aggro-Rapper darauf reagieren, kann ich aber nicht mehr verstehen.
Güngör: Noch etwas ist irritierend. Wir wollten in dem Buch keine Migrantenquote einfordern. Im Gegenteil, wir haben eine Szene beschrieben, die gerade auf so etwas keinen Wert gelegt hat. Es war damals egal, ob du Türke, Marokkaner oder Deutscher warst. Wir wollten zeigen, dass sich das massiv verändert hat. Und es ist ja tatsächlich auf einmal anscheinend wichtig, dass Bushidos Vater Tunesier ist.
SZ: HipHop als multikulturelles Integrationsmodell – ist das unwiederbringlich verloren gegangen?
Loh: „Neue Deutsche Welle“, der Song, mit dem der Berliner Fler gerade solchen Erfolg hat, ist ein Beispiel dafür, dass der multikulturelle Traum vorbei ist. Das Patchwork löst sich auf, man ist stolz auf seine Herkunft, er singt: „Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz.“
SZ: Der Erfolg von Aggro beruht ja großteils darauf, dass aus jedem Rapper ein bestimmter nationaler Typ gemacht wurde: Bushido, der gefährliche Vorstadtaraber, Fler, der harte Deutsche...
Bushido: Das war nicht nur Aggro. Fler musste das selbst machen, aus Notwehr. All seine Freunde sind verdammt stolz darauf, dass sie Araber oder Türken sind. Da hat sich Fler halt als stolzer Deutscher hingestellt. Jetzt schreien alle, die Aggro-Rapper mobilisieren das nationale Denken. Und ich muss meinen tunesischen Cousin fragen: Alter, bin ich rechtsradikal?
Loh: Der pauschale Nazi-Vorwurf wird gern für schrille Schlagzeilen benutzt: Hilfe, HipHop ist jetzt rechts! Diese Hysterie geht am Problem vorbei. Bisher gibt es in der HipHop-Szene keine Nazi-Rapper. Das eigentlich Verheerende ist, dass sich Rechtsradikale durch die Texte und visuellen Verweise bei Fler für HipHop zu interessieren beginnen.
Bushido: Ich will mir nicht durch meinen tunesischen Vater ein Alibi verschaffen, und natürlich haben Kollegen von mir mit Nazi-Verweisen gespielt, zuletzt Fler. Aber wenn du die Reichsflagge in dein Logo nimmst und mit Glatzköpfen durchs Video fährst – dann darfst du dich über solche Reaktionen auch nicht wundern. Ich habe mich immer von diesem Mist distanziert.
Loh: Umso merkwürdiger, dass auf Deine Konzerte auch Nazis kommen. Du bist ja nicht das, was ein Nazi unter einem Arier versteht. Trotzdem fahren die auf deine Musik ab. Jetzt kann man sagen: Gut so, auf der Bühne steht ein Kanake und die Nazis jubeln, vielleicht sind die ja nach dem Konzert weniger rechts. Man könnte sich aber auch fragen, ob es eine Schnittmenge gibt. Vielleicht ähneln sich die Härte Eurer Texte und die Härte der Nazis? Dann bräuchten die nur noch sagen: Klasse krasse Texte, aber Bushido mit seinem tunesischen Vater, unmöglich. Wir brauchen den Wotan-Clan, blonde Rammstein-Deutsche, die Rassisten-Rap machen. Ich glaube inzwischen, dass das funktionieren würde.
Bushido: Ich war im November auf Tour mit Azad. Eines Abends kam, während Azad auf der Bühne war, dessen marokkanischer Manager zu mir: „Da draußen schreien ein paar Nazis Azad als Kanaken an. Wir müssen vielleicht abbrechen.“ Als ich dann auf die Bühne kam, haben sich die Typen die T-Shirts aufgerissen und gejubelt. Als ich danach Autogramme gab, kamen diese 2-Meter-Ochsen, und dann nimmt mich einer von denen in den Arm und ist sooo glücklich, und je mehr ich den auf die Glatze haue, desto geiler findet der das. Er sagt, komm, schreib mir Bushido auf meinen Kopf. War schon komisch.
Güngör: Die Jugendlichen denken ja nicht mehr in Kategorien wie Links und Rechts. Für die ist es kein Widerspruch, Bushido zu hören und NPD zu wählen. Sie picken sich raus, was ihnen gefällt. Aus deinen Stücken nehmen sie sich eben die aggressive Härte. Das Gefährliche an Eurer Musik ist doch, dass Jugendliche plötzlich ganz selbstverständlich mit nationalistischen, sexistischen und extrem aggressiven Metaphern spielen.
SZ: In vielen Ihrer Texte wird ein geradezu sadistisch sexistisches Frauenbild gezeichnet.
Bushido: Warum?