Für nur 33.000 US-Dollar und in weniger als drei Wochen, drehte Herk Harvey 1962 einen erstaunlichen Independent-Horrorfilm, der nicht nur das Debüt des Regisseurs markierte, sondern auch sein zugleich letzter Film blieb. Umso beeindruckender muten die hervorragend fotografierten Tableaux an, die konzisen Schwarz-Weiß-Bilder, die mit minimalsten Mitteln mondsüchtige Abbildungen des Verhängnisses, welches ab der ersten Minute schwer auf “Carnival of Souls” lastet, einfangen und sie auf dem Weg zum Zuschauer poetisch verstärken; immer unterstützt vom eigensinnigen Orgelsoundtrack, der mal sakral tönt, weltlich blubbert oder sich nachts in die Geisterbahn schleicht.
Zugute kommt Harvey, dass er die Stimmung des damals verlassenen Saltair-Pavillons in Salt Lake City, der ihn zu seinem Film inspirierte (zusammen mit einer Kurzgeschichte von Ambrose Bierce), ohne Verlust auf die Leinwand bringen kann. Die “opening credits” fließen kreuz und quer mit der Anatomie des Unfallflusses über den Bildschirm und geben einen Vorgeschmack auf den durchgestylten Film, der bei allem gewollten “Design”, nie die Emotionalität der Aufnahmen verrät und einer Kühle preisgibt, die so viele durchkomponierte Werke umgibt und erstickt.
Kameramann Maurice Prather verbindet Bilder der Entfremdung mit dem brütenden Unheil, das sich durch den Film zieht: Mary ist für weltliche und kirchliche Genüsse nicht zugänglich, für sie ist Orgelspielen ein Job wie jeder andere. Und obwohl sie eigentlich Hilfe braucht, stößt sie die Menschen in ihrem Umfeld brüsk zurück.
Ein guter Ausgangspunkt für ein Drama, das sich mit dem zunehmenden Zerwürfnis einer jungen Frau und der Gesellschaft der USA in den frühen 1960ern beschäftigen könnte, glücklicherweise aber einfach nur der Aufhänger für einen furchtbar gruseligen Film, dessen Einfluss auf Horrorklassiker wie “Night of the living dead” und “Eraserhead” nicht übersehen werden kann. Bezeichnenderweise kümmerte sich in Deutschland bis in die 90er Jahre niemand wirklich um Herk Harveys zwielichtig-zwischenweltliche Jenseitsfahrt mit kurzem Aufenthalt im Nirgendwo und so wird der Film mittlerweile auf Billigst-DVDs an ein Publikum verramscht, welches den “Tanz der toten Seelen” (dt. Alternativtitel) im besten Fall für Kunstkacke hält.
Hier beweist sich auch wieder, dass man das Kino nicht den Geschichtenerzählern überlassen sollte, vielmehr kann man sich über die unzähligen Möglichkeiten klar werden, Stimmungen und Unbewusstes, Unausgesprochenes und Unerhörtes zu transportieren, ohne sich ins Korsett einer Geschichte zu zwängen, die einen schnurstracks von A nach B führt – ohne Gefühl für wirkliche Berührendes oder Beunruhigendes.
“Carnival of Souls” ist ein bedrohlicher Albtraum, der noch lange nachwirkt, nachdem man den verwaisten Rummelplatz verlassen hat und Sonnenschein und Vogelgezwitscher die Welt erhellen und ins “rechte” Licht rücken. Das Gefühl etwas im Spiegel gesehen zu haben, die Irritation bleibt.