Entstehung der "alten" Thule-Gesellschaft
Verschwörungstheorien üben bei einer Vielzahl von Menschen große Faszination aus. In Mode sind vor allem Verschwörungstheorien die bayrischen Illuminaten betreffend, welche hinter allem schlechten auf der Welt stecken sollen.
Seltsamerweise kommt das Interesse an Verschwörungstheorien in Bezug auf Gruppierungen, die tatsächlich einen großen Einfluss auf unsere Geschichte hatten viel zu kurz. Z.B. Grupperungen, die mit den Greueltaten des 3. Reiches gegen Menschen jüdischen Glaubens zu tun haben, wie der Germanenorden oder die Thule-Gesellschaft. Diese esoterischen Gruppen, deren antisemitisches Wirken während der Hitler-Zeit und Verbindungen zu Hitler und der SS nachgewiesen sind, finden während dieser Verschwörungs-Modewelle kaum Beachtung.
Die Entwicklung des Antisemitismus der Deutschen, das zuletzt in dem Wahn des zweiten Weltkriegs gipfelte ist eine lange. Der deutsche Rassen- beziehungsweise Massenwahn fand seine Ursprünge bereits weit vor dem Erscheinen Adolf Hitlers.
Man kann sich heute als aufgeklärter Mensch kaum mehr vorstellen, wie fanatisch der Rassenwahn sich damals geäußert hat und das weniger bei sogenannten Kleinbürgerlichen sondern in Kreisen der Industriellen sowie großen Dichtern, Denkern und Künstlern.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es zu versuchen, ausgehend von Rassegedanken eine germanische Naturreligion zu schaffen. Es wurde eine Anzahl von Organisationen gegründet. Der Einfluss dieser zahlreichen Orden und Gruppierungen wirkte sich in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts immer stärker auf das gesellschaftliche und politische Leben aus. In Deutschland u.a. der Thule-Orden, eine Vorläufergesellschaft der NSDAP. Neugermanische Vorstellungen wurden später insbesondere in der SS übernommen.
Zu maßgeblichen Ideologischen Wegbereitern der arischen Rassenlehre zählen der Runenforscher Guido von List, dann Jörg Franz von Liebenfels, der französische Diplomat und Historiker Arthur de Gobineau und der britische Publizist Houston Stewart Chamberlain.
In seinem 1855 erschienenen Buch "Versuch über die Ungleichheit der menschlichen Rassen" unterschied Gobineau die Menschen in "höhere" und "niedere Rassen". Das Buch blieb in Frankreich weitgehend unbeachtet, übte jedoch nachhaltigen Einfluss auf die Entstehung der deutschen "Antisemiten-Bewegung" aus. Die "arische weiße Rasse" beschrieb er darin als alleinige Verkörperung von Kultur und Moral, während die "niederen Rassen" allenfalls zur Knechtschaft taugten. Eine "fortschreitende Rassenmischung" stellte er als Hauptursache für den "Kulturverfall" dar und als die größte Gefahr für die Überlegenheit der "arischen weißen Rasse".
Unter dem Einfluss der Veröffentlichungen des Graf Joseph Arthur Gobineau schrieb Houston Steward Chamberlain das Buch "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts". Das Buch stellte einen Appell zur Besinnung der Deutschen auf ihre germanischen Wurzeln und zur Reinigung des Christentums von jüdischen Elementen dar. Seit 1908 war er mit Richard Wagners Tocher Eva verheiratet und lebte seither in Bayreuth. Persönliche Bekanntschaft mit Hitler machte Chamberlain 1924.
Guido von List, geboren 1848, war Runen- und Germanenforscher und empfing laut seiner Aussagen im Alter von 14 Jahren in den Katakomben unter dem Stephansdom in Wien eine Art Berufung. Er fand dort ein, dem heidnischen Gott Wotan geweihtes, vorchristliches Heiligtum und legte vor diesem sein Gelübte ab, dass er später wenn er groß und stark sei einen Tempel für Wotan errichten wolle. 1875 bereiste er die Ruinen der Römerstadt Carnuntum, in welcher 1500 Jahre zuvor die Germanen die Römer besiegten und begrub zur Ehre 8 Weinflaschen in Form eines Hakenkreuzes. Danach hatte er angeblich die Vision in der Vergangenheit Augenzeuge der Schlacht zu sein. Mit der Zeit bildeten sich in seinem Hirn Vorstellungen einer vorchristlich, arisch-germanischen Hochkultur heraus, welche Wotan verehrten, die Armanen.
Diese Kultur wäre nach Lists Glaube von den Christen verfolgt und ausgerottet worden und ihre Hinterlassenschaft daher verschüttet. Ihr Wissen, die seiner Meinung nach wahrhafte Einsicht in die Geheimnisse der Welt, wäre durch organisierte „Agenten“ des Armanismus, bis heute erhalten geblieben. Als diese Agenten sah er vor allem die Freimaurer und Rosenkreuzer. List selbst sah sich als den letzten Magier der Armanen.
Nach theosophischem Vorbild bestand Lists Lehre aus einer hierarchischen Gliederung der Wesen, die nach ihrem geistigen Entwicklungsstand eingeordnet wurden. Die "Arier" hätten darin den höchsten Entwicklungsstand innegehabt". List sah die Aufgabe darin, die arische Rasse zu erhalten und eine "Edelrasse" heranzuzüchten. Nur reinrassigen Ariern sollte Freiheit und bürgerliches Recht zukommen. Sogenannte "Minderrassige" wollte er in dienenden Funktionen, in Lohnarbeit und Sklaverei sehen. Reiche Gönner gründeten 1905 die Guido-von-List-Gesellschaft. Die Mitgliederlisten führten hauptsächlich Angehörige des Großbürgertums und des Adels, Großindustrielle. Regierungsräte, Professoren und Militärs, außerdem einige völkische Vereinigungen und die gesamte Wiener „Theosophische Gesellschaft", eine Organisation, in welcher auch Rudolf Steiner engagiert war.
Jörg Lanz von Liebenfels dagegen spann sich eine Art Rassenschöpfungsgeschichte zusammen, welche dem christlichem Glauben angelehnt war. Er war zuerst sechs Jahre lang Zisternenmönch und gründete gegen 1900 den neuen Templerorden. Nachdem er als Autor in sozialdarwinitischen Kreisen bekannt geworden war, veröffentlichte er 1905 seine Schrift Theozoologie und gründete eine Zeitschrift namens Ostara. Diese rassenwirtschaftliche Zeitschrift behandelte anfangs vor allem wirtschaftliche und politische Probleme der Habsburger Monarchie von einem antiliberalistischen und alldeutschen Standpunkt aus. Später nahmen Themen wie rassische Somatologie, Anti-Feminismus und Anti-Parlamentarismus breiteren Raum ein. Zu den Autoren zählten unter anderem Mitglieder der schon erwähnten Guido-von-List-Gesellschaft" .
Im Gegensatz zu List stützte sich Lanz auf christliche Überlieferungen und deren charakteristischer Schwarz-Weiß-Lehre. Die Welt stellte sich ihm als Kampf des durch die blauäugig-blonde arische Rasse dargestellten "Guten" gegen das durch Schwarze, "Mediterranoide" und andere dunkelhäutige Menschen repräsentierte "Böse" dar.
Dieses "Böse" sei durch den Sündenfall in die Welt gekommen, der für ihn die sodomistische Paarung von arischen Menschen mit Tieren meint und "niederrassige" Mischwesen hervorbrachte, die er „Tschandalen“ oder "Sodoms-Äfflinge" nannte.
Die Lösung seines Problems sah Lanz in der Schaffung einer Rassenaristokratie, die die Hochzucht wieder einführen sollte. Die praktischen Maßnahmen, die er empfahl, um dieses Ziel zu erreichen, lesen sich wie eine Vorwegnahme der Rassenpolitik und Judenverfolgungen im NS-Staat.
Als Maßnahmen gegen die "Tschandalen“ empfahl er kinderlose Ehen, Propaganda von Verhütungsmitteln, Kastration, Sterilisation, Prostitution, Einstellung von Wohltätigkeiten, Sklaverei, Zwangsarbeit, Deportationen in die Wüste, Verwendung als "Kanonenfutter" im Ersten Weltkrieg ".
Hitler ließ sich stark von den Ostara-Heften inspirieren.
Eine solche rassistische Mythologie prägte auch die 'Thule-Gesellschaft', eine Vorläuferorganisation der NSDAP.
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