Nochmal: inwieweit gibt es denn einen Unterschied zwischen früheren medialen Plagiatskampagnen und dieser? Was macht diesen Fall moralisch verwerflicher außer, dass es diesmal Julian Reichelts trauriges Onlineportal ist statt einer Qualitätszeitung?
Für mich sind solche Kampagnen immer schwierig, da ich die Verwendung solcher Plagiatsjäger als Waffe gegen politische oder andere Gegner für problematisch halte. Natürlich sollte jede Person, die eine wiss. Arbeit schreibt und einen akadem. Titel anstrebt, die entsprechenden Maßstäbe für sauberes wissenschaftliches Arbeiten einhalten.
Nichtsdestotrotz halte ich es es für zumindest zweifelhaft, wenn die Maßnahme der "Plagiatsjagd" eingesetzt wird, um Leute mundtot zu machen oder hier eine Art polit. oder mediales Gatekeeping zu betreiben. Ich würde aus genau dem Grund nie in die Politik wollen, weil ich keine Lust auf diese Spielchen und den damit verbundenen Stress hätte. Man kann natürlich sagen "Selbst schuld, wenn Leute das wollen, so ist das Spiel," aber ich finde diese Eskalationsspirale nicht in Ordnung die zB dazu führt, dass Medien auf Einzelpersonen eindreschen bis diese an Selbstmord denken. Bild, Nius und Co. sind da vorne mit dabei, weil sie natürlich auch den entsprechenden polemisierenden Populismus einsetzen und ihre Leserschaft erfolgreich aufstacheln. Auch andere Zeitschriften sind dazu natürlich in der Lage und die SZ könnte man hier ebenfalls als Beispiel nennen, wenngleich das dort auf eine andere Art und mit anderen Fehltritten passiert ist.
Für mich stellt sich am Ende aber auch die Frage: kann man machen, aber muss man? Die Verrohung des öfftl. Diskurses jedenfalls ist mir ein Dorn im Auge, funktioniert aber sehr gut, wie man auch an den Postings der Polemik-Champions wie Furio oder Pokermillionär gut erkennen kann. Deshalb ist es natürlich kein Wunder, dass Reichelt solche Methoden einsetzt und das auch ganz gut so findet und ich denke nicht, dass sich hier in den nächsten Jahren eine Entspannung einstellen wird, eher im Gegenteil.
Mir fällt hier aber eher so etwas wie die Causa Weidel ein statt Aiwanger, denn bei dem ging es nicht um eine wiss. Arbeit und er hat seine Verfehlungen auch tatsächlich begangen.
Naja, diese Software springt vor allem auf identische Wortwahl + Satzbau an. Das ist schon ein bisschen mehr als nur Inhalte aus irgendeiner Veröffentlichung zu erwähnen und dabei vergessen, die entsprechende Quelle auch zu zitieren.
Aber wie gesagt, würde gerne die konkreten Stellen sehen.
Natürlich gibt es Abstufungen und eindeutig übernommene aber nicht gekennzeichnete Zitate sind selten Flüchtigkeitsfehler oder unsauber (bzw. wenn unsauber, dann Grund zur Hinterfragung der wiss. Eignung). Das ändert aber nichts daran, dass auch in den von mir genannten Fällen durchaus ein Leben aus den Fugen geraten kann, wenn einem plötzlich Plagiatsjäger irgendwas "nachweisen" und man sich zu rechtfertigen hat (zumal solche Arbeiten oft Jahre bis Jahrzehnte zurückliegen und man das nur schwer rekonstruieren kann). Deswegen macht es auch Sinn, dass solche Prüfungen und etwaige Folgen wie Entzug des akadem. Titels am Ende in Ausschüssen und Gremien der Universitäten erfolgen und nicht durch Medienhäuser oder Privatpersonen.