Der Pranger als politische Waffe
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Greenpeace hat mal eine sehr breit angelegte Scham-Kampagne gegen Supermärkte gefahren, die Fisch verkauft haben, der nicht nachhaltig war. Es gab Ranglisten, auf denen einige wirklich miserabel abschnitten - und es stellte sich heraus, dass ausgerechnet von denen viele die Kampagne quasi komplett ignorierten. "Trader Joe's" (ein Bio-Supermarkt in den USA; Anm. d. Redaktion), bei weitem nicht der schlimmste unter den Supermärkten, reagierte hingegen sehr sensibel. Also konzentrierte Greenpeace die Kampagne auf diese Kette - mit großem Erfolg. Das gilt auch für anderen Branchen: Tesla wird sicher mehr um seine Umweltreputation bemüht sein als etwa General Motors. Bill Gates hat nach längerem
public shaming ob seines Reichtums die "Bill & Melinda Gates Foundation" gegründet. Die CEOs von Firmen, die nicht im öffentlichkeits-sensiblen Tech-Sektor tätig sind, befanden das nicht für nötig.
Public shaming ist also unfair: Wer sich mehr um soziale Normen kümmert, ist anfälliger?
Obama wurde öffentlich dafür bloßgestellt, ausgefallenen Senf zu mögen. Wenn man das mit Trump vergleicht, erübrigt sich die Antwort wohl.
Außerdem fühlt sich öffentliches Bloßstellen moralisch mindestens grenzwertig an. Gerade in Zeiten, in denen die sozialen Medien auch ein Platz für größte Widerwärtigkeiten sind.
Absolut. Und es ist essenziell, dass uns das auch immer bewusst ist. Es ist eine Strafe. Und wie jede Strafe muss auch
public shaming genau dosiert sein. Wenn man Menschen bloßstellt, passiert allerdings zusätzlich noch etwas, an das wir nicht mehr gewöhnt sind: Die Öffentlichkeit wird plötzlich wieder Teil der Sanktion. Dabei hat die Gesellschaft das eigentlich an den Staat abgegeben. Plötzlich sagt uns dieser Staat - oder eine nicht-staatliche Organisation: "Macht euch über diese Person oder dieses Unternehmen lustig! Stigmatisiert sie!" Klar, dass wir uns damit unwohl fühlen. Strafen zu verhängen ist eine Bürde. Deshalb fragen wir uns, ob das angemessen ist. Ob es fair ist. Gerade, wenn auf Facebook jederzeit ein Shitstorm losbrechen kann. Theoretisch ja auch über uns selbst, wenn wir etwas Dummes tun, aus welchem Grund auch immer.
Und: Ist es angemessen und fair?
Denken Sie noch mal an die Steuerhinterzieher: Mir fällt kein fairerer und angemessenerer Weg ein, als ihnen mit der Veröffentlichung ihrer Namen zu drohen.