Und wie kam der Antisemitismus nach Deutschland zurück, in das Land, das wie kein anderes seine Pogrom-Geschichte durchleuchtet hatte, um für immer aus ihr zu lernen? Er ist, in seiner neuesten, antizionistischen Verpackung, natürlich ein Geschenk der 68er. Die Erklärung dafür ist ganz leicht, wird aber logischerweise verschwiegen. Viele, sehr viele von ihnen hatten als junge Wehrmachtssoldaten, Waffen-SS-Novizen und Hitlerjungen, als Journalisten, Künstler und Akademiker die schönsten, schrecklichsten, prägendsten Jahre ihres Lebens gehabt. Wie sollten sie auf einmal keine Halb- oder Ganznazis mehr sein? Sie kämpften dennoch aufrichtig gegen ihre nationalsozialistische Erziehung, sie wurden Pazifisten, sie forderten von der autoritären Adenauer-CDU mehr Demokratie, sie lasen Eugen Kogon, Hannah Arendt und Primo Levi, und sie wollten, dass nicht nur in ihrem Land, sondern auf der ganzen Welt ab sofort das totale Paradies ausbricht. Doch die Metaphysik von den blut- und geldgierigen jüdischen Intelligenzbestien, die ihnen tausend Jahre lang eingetrichtert wurde und an die ihre Eltern und Verwandten auch ohne Hitlers Einflüsterungen geglaubt hatten, saß zu tief in ihren Herzen und Köpfen. Man musste viele der SDSler, KBWler und älteren Stern-Redakteure bloß einmal betrunken erleben. Je länger der Abend dauerte, desto mehr klangen sie wie die Gäste der Baronesse Batthyány, kurz bevor sie ihre kleine Rechnitzer Schlossparty unterbrachen, um zu ihrer Zerstreuung 180 jüdische Zwangsarbeiter wie Kaninchen zu erschießen.
Was sollten aber die armen 68er und ihre 78er-Apostel mit diesem schönen, hässlichen, metaphysischen Hassgefühl anfangen, wenn sie nüchtern waren?