"Repression reizt nur zum Sprayen"
Hamburger Expertin bewertet bisherige Vorschläge für das Mendener "Anti-Graffiti-Konzept" sehr kritisch
MENDEN • Menden ist drauf und dran, mit der breit angelegten Anti-Graffiti-Aktion (wir berichteten) vieles falsch zu machen. Das sagt Barbara Uduwerella, Vorsitzende von "Hiphop Hamburg". Sie war 2002 als Sachverständige im Rechtsausschuss des Bundestages, als es um die erste, abgelehnte Fassung des Graffiti-Bekämpfungsgesetzes ging.
Das Mendener Konzept setze zu stark auf Repression. Die sorge nur dafür, dass die "Mutprobe Graffiti" für Jugendliche noch reizvoller wird. Unterrichte an Schulen erzielten dieselbe Wirkung und brächten im Zweifel bisherige Nicht-Sprayer noch auf dumme Gedanken: "Insgesamt wird hier viel zu wenig von den Jugendlichen her gedacht", kritisiert die Graffiti-Expertin, die das Ergebnis des ersten Graffiti-Forums der MZ-Internetseite entnahm.
Wer sich nicht bloß als Saubermann profilieren, sondern wirklich ein schöneres Stadtbild erreichen wolle, müsse anders ansetzen - und zwar in der Szene selbst. Die sei nur über vertrauensvolle Jugendarbeit und Pädagogik zu erreichen. "Dazu muss man da sein, wenn die Jungs losziehen - das geht nicht von 8 bis 16 Uhr." Was die vorgesehenen Unterrichte angeht: "Wo Polizisten als Graffiti-Experten oder Amtsrichter zur Abschreckung in Klassen auftauchen, wie in Menden geplant, da entmachten sich die Pädagogen, die ihren Jugendlichen ja offenbar keine Grenzen mehr aufzeigen können. Zudem zeigt man den Jungen, welche Macht sie schon über die Gesellschaft haben, und schaukelt die Auseinandersetzung weiter hoch."
Junge Leute wollten mit ihren "TAGs" vor allem ein Geltungsbedürfnis befriedigen, und dem begegne man am wirksamsten durch das Stellen legaler Wände. "Die müsste es längst an jeder Jugendeinrichtung geben, denn vielen reicht das schon." Hinzukommen sollte, wie in Projekten bundesweit erfolgreich getestet, dass Städte die Kreativität der Jugend ansprechen und nutzen, indem sie ihr die Gestaltung von Brücken oder anderer Bauwerken überlassen - und die Ergebnisse auf ihrer Homepage präsentieren. Titelseiten von Konfi-Briefen oder Broschüren könnten so gestaltet werden, Zeitungen sollten nicht die nächtlichen Schmierereien, sondern gelungene legale Werke abdrucken. "Man muss ihnen was an die Hand geben, Lust auf Ziele machen. Wer dagegen nichts in der Tasche hat, der hat auch nichts zu verlieren." Umgekehrt könnten sich die jungen Leute diese Flächen verdienen, indem sie freiwillig gemeinnützig arbeiten.
Die Konfrontation von Sprayern und Geschädigten im Rahmen des außergerichtlichen Täter-Opfer-Ausgleichs sei als Lerneffekt grundsätzlich richtig und wichtig, auch im Mendener Konzept, meint die graduierte Sozialpädagogin - "aber ohne die Jungen dabei an den Pranger zu stellen, und nur unter fachkundiger Anleitung." • hgm
Artikel vom 20. September 2006