Solche Geschichten sind unter strenggläubigen tschetschenischen Familien leider weit verbreitet. Ein Bekannter aus meiner Kindheit hat mit Hilfe seiner Familie die Mutter seines Kindes in ein anderes Land geschickt und lässt sie nicht ihren Sohn sehen, da sie Kritik an den barbarischen Traditionen geübt hat. Die Polizei kann nichts machen, da alle aus der Umgebung schweigen.
glaub ich gern. solche geschichten sind und waren generell dort weit verbreitet, wo sich streng autoritäre gesellschaftsstrukturen, transgenerationale traumata und der deckmantel religiös-moralischer heuchelei paaren. findet man in den biografien von vielen serienmördern (zB post-vietnam), totalitären regimen und diktatoren (siehe "das weiße band" oder werke von klaus theweleit, alice miller blabla) usw.
da öffnet man ne komplexe und interessante Büchse der Pandora, für die ich gern das freud-faschingskostüm ausm schrank hole. *Pfeifeanzünd*
diese ständige systematische Entmenschlichung, Überwachung, erniedrigende Bestrafungen, der erzwungene Kontaktabbruch von ihrer Familie und Freunde, die komplette Ohnmacht, in der sie über jahre gehalten wurde wie ein Vieh, ist seitens der Mutter, vermute ich aus den fragmentarischen Mustern die da geboten werden, das Resultat von eigenen erfahrenen doch verdrängten Traumata, der darauffolgenden Erkaltung und Abscheu gegenüber Gefühlen/Schwäche (da es da offenbar auch keine sensiblen Bezugspersonen gibt, denen man sich anvertrauen könnte und alles Schwäche ständig abgewertet und bestraft wird) und der Schutzmechanismus der Nachahmung ihrer Peiniger, was in der notwendigen Übertragung ihrer Leiden auf unschuldige, ihr selbst in der Hierarchie untergeordneten Objekte mündet.
Beim Vater könnte es ähnliche Mechanismen geben als ehemaliger Soldat und.. einfach Kind einer solchen Kultur
zB diese szene die anys beschreibt, als die stiefmutter sie mal in ihr zimmer bestellt hat, sie sich aufs bett setzen sollte und erstmal stumpf einige schellen kassiert hat ohne grund ist geradezu typisch für das zwanghafte Ableiten eigener Demütigungen an noch tiefergestellten Menschen in einer Hierarchie, um noch einen Funken an Macht zu verspüren. Die Mutter wird ja selbst auch keine besonders bessere Behandlung erfahren haben in der Vergangenheit.
(Stichwort Täterintrojekt - woran ich denken musste bei der Story mit Mois Wahnsinnsausbruch als er Anys fast ermordet hat vor den Augen der Kinder und dabei ständig vom Teufel gefaselt hat - schwurble ich rum, wenn ich hinter dem Symbol des Teufels in Alims Unbewussten die verklärte Figur des grausamen Vaters vermute? Wiederholte Alim da ne Szene aus seiner Kindheit? Wäre jedenfalls kein Novum in der Literatur)
auch diese quasi double-bind situation mit dem horror häuslicher gewalt und den öffentlich vertretenen glaubenslehren und der von den älteren vorgeheuchelten, da ständig verratenen moral dürfte zu frühen kognitiven dissonanzen bei alim und co geführt haben. sein anime-wahn überrascht mich nicht, war das womöglich die einzige form von eskapismus, die ihm als kind zur verfügung stand.
jedenfalls leakt die auf insta genug stoff für ne dissertation. tragische sache, wenn man versucht zu erahnen, wie verbreitet solche fälle global noch sind. die vermeintliche dialektik des weltgeistes schreitet sehr schleppend voran...