aus dem dlx forum:
"Das Ende der Musikindustrie - gar nicht so schlimm!
Während
also heute Abend die Hip Hop Elite Deutschlands auf RTL2 einem
unbedarften jungen Mann aus Bayern das Rappen und das Lebensgefühl
eines Hip Hoppers beibringen möchte (Der Bluff), sitze ich hier und
denke darüber nach, was ich gehört habe, als ich aus meinem Urlaub
wieder nach Hause gekommen bin.
Zuerst
einmal: Manuellsen hört auf. Das ist tragisch. Viele von Euch werden
vielleicht noch nie von dem sympathischen Riesen aus dem Pott gehört
haben (zu Recht), auch wenn er sich selbst wahrscheinlich immer als
Star sah und wohl auch ein wenig unter Realitätsverschiebung litt.
In
einer, sagen wir mal sehr bewegenden Ansprache erklärt er der
Welt-HipHop- Bevölkerung, also uns, dass es ihm jetzt reicht und er die
Schnauze voll hat von uns und dass dieses ganze Hip Hop Ding seinen
Kopf ge****t hat und wir persönlich, also Du und ich, also WIR daran
schuld sind. Und zwar ausschließlich WIR. Und natürlich noch Samy
Deluxe, bei dem Manuellsen noch bis vor kurzem gesignt war und der
heute Abend den RTL2 Zuschauern, die Rap-Welt erklärt, die er laut
Manuellsen aber gar nicht versteht und vom Business noch viel weniger
und überhaupt, was ist das für eine Frechheit, einen Künstler unter
Vertrag zu nehmen, seine Platte zu veröffentlichen und dann nicht dafür
zu sorgen, dass diese auch noch 100.000 Einheiten verkauft?
Ok,
was war passiert? Manuellsen war bei Deluxe Records unter Vertrag und
brachte eine Platte raus. Diese Platte ist gefloppt und Samy hat Schuld
daran und dann ist auch noch die Frau weg von Manuellsen, das ist
Valezka, und vielleicht hat auch daran Samy Schuld oder WIR, auf jeden
Fall könnte man Valezka wiederum schon aus einem Video mit Eko Fresh
kennen. Das Video hieß damals L.O.V.E. was so viel wie Liebe bedeutet,
was wiederum bedeutet, dass Valezka auch schon mal einen anderen Freund
aus dem Showgeschäft hatte, vor Manuellsen. Jetzt müssen aber
schwerwiegende Dinge im Hause Manuellsen/Valezka vorgegangen sein, denn
die Hälfte der gut 14minütigen Ansprache richtet sich an die Ex, mit
Schwüren, dass er alle anderen töten würde und dass er seine gesamte
Karriere für sie an den Nagel hängt. Außerdem und da sind wir jetzt
beim eigentlichen Thema, außerdem würde er, Manuellsen, natürlich
scheißen auf die ganzen myspace-*****, die sein Leben ge****t haben
(und wahrscheinlich nicht nur das) und dass sie ihm nichts, aber auch
gar NICHTS bedeuten würden. Na klar. Ungefähr 5 Minuten zuvor bedankt
sich Manuellsen allerdings dann wiederum bei seinen Fans, die immer
einen Platz in seinem Herzen haben werden, „besonders die weiblichen.
Ihr wisst, was ich mein. Höhö."
Das
ganze spitzt sich dann zu und eigentlich erwartet man, dass er sich mit
einem Messer die Arme aufschneidet und ins Mikrofon brüllt „siehst du
Valezka. Das ist mein Blut. Jetzt hast du es endlich geschafft" und
eigentlich möchte man den Jungen Ohrfeigen, wenn er nicht so groß wäre
und ihm sagen: „werd mal erwachsen. Das ist dein Leben. Du hast es
ge****t und wir stehen nur daneben und gucken es uns an." – Aber bin
ich sein Vater?
Nichtsdestotrotz
hat der selbsternannte Pottweiler sein letztes Album ja auch „Das ist
meine Welt und ihr lebt nur darin" genannt, was jetzt natürlich die
philosophische Frage aufwirft... sagen wir mal so. Rein hypothetisch
könnte es ja sein. Rein hypothetisch könnte es ja sein, dass wir alle
nur das Produkt eines Traums von Manuellsen sind. Was passiert, wenn er
nun zu träumen aufhört? Natürlich ist das nicht realistisch. Aber ich
mag den Gedanken.
Ok
alles in allem, nicht falsch verstehen. Ich mag Manuell sehr gerne. Er
ist wirklich ein sehr, sehr lustiger Typ, der mit allen möglichen
Leuten aufgewachsen ist und zum Beispiel recht passabel türkisch
spricht, was in diversen Restaurants schon zu lustigen Situationen
geführt hat, denn Türken halten sich mit ihrem Rassismus gegenüber
Schwarzen ja auch nicht unbedingt zurück. Dumm nur, wenn der Beleidigte
das dahingemurmelte dann auch versteht.
Also
ich mag ihn, aber ich habe hier dem Chef von myspace, also Ruppert
Murdoch persönlich versprochen, dass ich schreibe, wenn was verrücktes
passiert. Und das ist ziemlich verrückt. Das ganze Drama könnt Ihr Euch
anhören auf der Manuellsen Fans Seite und dann einfach auf "Ihr bringt mich dazu" klicken.
Weniger
verrückt, dafür aber von einer schweren Schockwelle in der Hip Hop
Gemeinde begleitet, war die Nachricht, dass Optik Records, das Label
von Kool Savas die Pforten schließt. Das hört sich erst mal
dramatischer an, hat aber in der Realität kaum Auswirkungen. Wie mein
Freund Nico nämlich treffend analysiert hat, wird sich im echten Leben
nichts ändern. Amar, Caput und Mo Mitchell werden, wie all die Jahre
zuvor, NICHTS veröffentlichen und der Rest der Künstler wird, wie zuvor
auch, über eigene Kanäle releasen. Und auch Savas wird auf die eine
oder andere Art im Geschäft bleiben, wobei man jetzt darüber sprechen
muss, ob es tatsächlich noch ein Geschäft ist.
Denn
die zweite Nachricht, die mich nach dem Urlaub ereilte und
komischerweise gar nicht so große Schockwellen hervorgerufen hat ist
folgende: BMG, also Bertelsmann zieht sich aus dem Musikgeschäft zurück
und verkauft seinen Anteil an die Sony zurück. HALLO? Ich meine:
Freunde!!! Aufwachen!!! Einer der größten Medienkonzerne der Welt
stellt fest, dass er in einem Markt aktiv ist, der sich nicht mehr
rentiert oder rentieren wird und zieht sich zurück. DAS ist das Signal.
Nicht ob Optik Recors zumacht oder Royalbunker oder selbst wenn Aggro
oder Ersgutejunge schließen würden. Egal! – BMG ist raus und ich
verspreche es Euch jetzt in die Hand. Das sind nur die ersten. Die
anderen ziehen nach. Und...???? Das alles ist gar nicht so schlimm. Ich
finde das gut. Das ist wunderbar. Endlich!!!!!!
Warum?
Jetzt kommt ein kleiner Vortrag.
Wenn
wir uns die Geschichte der Musik anschauen, dann glaube ich, dass die
Menschen Musik gemacht haben, seit sie auf zwei Holzstöcken einen Beat
erzeugen konnten. Irgendwie scheint es für den Menschen aus irgend
einem Grund, wahnsinnig wichtig zu sein, Musik zu machen. Die
Vorstellung, dass ein Künstler mit seiner Musik Geld verdient oder
besser gesagt, die Vorstellung, dass überhaupt so etwas wie eine
Künstlerpersönlichkeiten existiert, gibt es vielleicht seit grob 200
Jahren. Beethoven war einer der ersten, der diese Position für sich in
Anspruch genommen hat. Davor waren die Musiker eine Art Handwerker,
angestellt bei irgendwelchen Bischöfen oder Grafen, zwischen Tischler
und Kutscher und eben nicht viel mehr Wert als das übrige Gesinde, bei
dem sie ja auch essen mussten/durften.
Die
Vorstellung, dass man mit konservierter Musik Geld verdienen kann, ist
noch nicht einmal 100 Jahre alt. Wahrscheinlich entstanden die ersten
richtigen Plattenfirmen in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Wir reden hier also über eine Industrie, die gerade einmal 90 Jahre alt
ist. Natürlich haben sich die Plattenfirmen zu irgendeinem Zeitpunkt so
verhalten als wäre ihr Geschäft das aller-, allerwichtigste auf diesem
Planeten. Natürlich haben sie sich aufgrund von Milliarden Umsätzen und
diversen kolumbianischen Nahrungsergänzungsmitteln ein unfassbares Ego
angefressen und wirklich gedacht, dass sie etwas sehr, sehr wichtiges
für die Menschheit tun. Natürlich haben sie gedacht, dass das ihre Welt
ist und wir nur darin leben. Konsumenten, die man mal hierhin und
dorthin schicken kann. „Hey da generieren wir mal einen Hype. Das Thema
boxen wir durch. Los, lass uns die Kampagne starten. Da geben wir jetzt
alle Gas." Hahaha. Jetzt ist es vorbei. Aus. Ende. Der eine merkt's
früher, der andere später. Aber was bleibt ist 90 Jahre Musik Industrie
gegen 4 Millionen Jahre Musikgeschichte. Ein Wimpernschlag im
Zeitkontinuum. Insofern. Nicht weinen! Es ist wirklich nicht schlimm,
dass sich diese selbstüberschätzte Branche voller untalentierter
Langweiler, die nichts anderes zu tun haben als das Talent anderer
Leute auszuschlachten nun langsam selbst zersetzt. Willkommen im
Mittelalter.
Denn
genau so wenig wie die Menschen aufhören werden, Sex zu haben, werden
sie aufhören Musik zu machen. Es ist nur wieder wie Früher. Also wie
richtig Früher. Früher, als die Menschen sich nach ihrer
Broterwerbsarbeit zum Feierabend auf dem Marktplatz getroffen haben und
diejenigen, die gut Geige gespielt haben, dort eben Geige gespielt
haben und diejenigen, die besonders gut Geige gespielt haben, auch am
Wochenende Geige gespielt haben, auf irgendwelchen Hochzeiten und
Dorffesten: GEGEN GELD! Vielleicht konnten sich damit einige, besonders
gute Geiger, sogar ihr ganzes Leben damit finanzieren, auf jeden Fall
war es aber so, dass nur die Leute damit Geld verdient haben, die A)
wirklich Musik machen wollten und B) die wirklich Talent hatten. Das
ist doch schön. Das ist doch super. Da freue ich mich und ich freue
mich auch darüber, dass so etwas schönes wie Musik aus so etwas
hässlichem wie dem sogenannten Verwertungsprozess herausgenommen wird,
denn nichts ist Schrecklicher, wie wenn diese Plattenfirmenmenschen
anfangen von Produkten zu sprechen.
Und
das schreibe ich so, weil ich diesmal lange darüber nachgedacht habe.
Und solange mich Manuellsen das noch denken lässt in seinen Träumen,
solange schreibe ich das auch noch auf.
staiger"