Ich halte es für eine absolute Fehlannahme, dass Journalismus reine Faktenberichterstattung sein soll oder auch nur sein kann. Sprache, Themenauswahl, Beitragslänge usw. - nichts davon ist neutral oder objektiv. Und auch historisch betrachtet haben doch insbesondere Printmedien nie rein berichtend agiert. Jedes Blatt, jeder Redakteur darin, jeder Heraugeber dahinter, hatte und hat immer eine Ausrichtung, eine Räson, an der sich die Machart der Zeitung orientiert.
Auch der ÖRR hat nie nur berichtend agiert. Qua Auftrag kann er das auch gar nicht, denn er wurde ja ganz bewusst dazu geschaffen, im Sinne der Ideen von Menschenrechten und Demokratie auf die deutsche Bevölkerung einzuwirken. Das war ja eben eine der Lehren aus Weimar und der NS-Zeit.
Da hast du absolut recht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1961 definiert:
"Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk besteht aber darin, daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert, während im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß."
Das bedeutet, dass Zeitungen und anderweitige journalistische Publikationen per Definition Filterblasen sind. Zeitungen berichten nie neutral und umfassend, sondern immer ihren Leitlinien entsprechend, also voreingenommen, ideologisiert usw. Das ist auch absolut okay, denn die Idee ist ja die, dass man nur durch das Lesen unterschiedlicher Nachrichtenmedien ausgewogen informiert wird. Deshalb sind SPIEGEL, Zeit, Nachdenkseiten usw. mal ganz platt formuliert nichts weiter als "Telegram Gruppen" wenn man so will, nur natürlich mit einer ganz anderen Qualität.
Deine Aussage bezüglich des ÖRR kann ich aber so nicht stehenlassen. Er hat vielleicht nie berichtend agiert, genau das soll er aber in jedem Falle - ausgewogen, wahrhaftig und frei von inneren und äußeren Einflüssen. Das wurden durch die verschiedenen Rundfunkurteile genauestens definiert.
Die kann man sich zusammenfassend hier mal durchlesen, sehr spannend:
https://www.uni-goettingen.de/en/ka...BVerfG%20ausf%FChrliche%20Zusammenfassung.pdf
Und dann kommt man halt unweigerlich zu dem Ergebnis, dass das ÖRR auferlegten Auftrag nicht nachkommt. Viele Nachrichtenprogramme kommentieren heute ehr als dass sie informieren und vermischen Fakt und Meinung durchgehend inkl. Unterton im Vortrag. Das lässt sich vielleicht nicht ganz vermeiden, jedoch kann es so, wie es heutzutage ist, nicht richtig sein.
Das Problem ist, dass die Politik und Parteien ständig versucht haben, Einfluss zu nehmen und das Gericht immer weitere Maßnahmen ergriffen hat, die Ausgewogenheit zu gewährleisten, siehe Privatfernsehen 1981 usw. Dennoch ist in letzter Konsequenz diese klebrige Nähe zwischen vermeintlich unabhängigem ÖRR und dem politischen System entstanden, inkl. allen Schandtaten wie Drehtür-Positionsgeschiebe, Per-Du-sein mit Intendanten und Ministern usw. Deswegen finde ich es sehr ehrenwert, was Tom Buhrow über das gesamte System der öffentlich-rechtlichen Medien gesagt hat. Die Frage ist, ob sich das System wirklich in seinem Prozess, der der Bevölkerung dient, reformieren lässt oder da härter durchgegriffen werden muss.
Die Aufgabe von Medien ist es nicht, jeden Teil des Meinungssprektrums abzubilden oder gleich viel Raum zu bieten. Gerade in Zeiten des endlosen Stroms an Content besteht die Aufgabe von Medien eben sehr wohl in der Aufbereitung, Einordnung, Straffung oder Erläuterung.
Da muss man halt genauer unterscheiden: Der ÖRR soll per Auftrag gewissermaßen doch jeden Teil des Meinungsspektrums abbilden, wie auch immer das schlussendlich gewichtet wird. Bis zu einem gewissen Teil findet das auch statt, nur dann gibt es eben auch gleich immer mehrere Personen, die dagegen halten oder einen besserwisserischen Unterton in den Nachrichten, mit gleich eingeordnet wird, obwohl das der Zuschauer selbst machen müsste.
Die Presse hingegen soll in erster Linie die Funktion eines Kritikers übernehmen, der dem Staat + Regierung permanent auf den Zahn fühlt und kritisiert. Auch das ist in den Jahrzehnten zuvor besser gelungen, man lese sich nur mal den SPIEGEL der 70er durch etc. Dagegen sind die heutigen Pressepublikationen nahezu handzahm (oder eben populistischer Müll wie die ganz äußeren Magazine und Zeitungen).