Die Banlieues rund um die französischen Großstädte funktionieren in den Augen großer Teile der französischen Öffentlichkeit wie ein Brennglas, durch das hindurch alle Ängste vor Unsicherheit und Gewalt konzentriert wahrgenommen werden. Oft in Verbindung mit einer ethnisierten Wahrnehmung (in Form einer Assoziationskette "Banlieues - Islam - Unsicherheit und Bedrohung"). Allerdings sind die französischen Trabantenstädte in Wirklichkeit keine "ethnischen" Quartiere, wie sie teilweise in US-amerikanischen Großstädten existieren. In ihnen leben vielmehr bunt durcheinander gewürfelte Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Herkunft, die sich durch das gemeinsame Merkmal "Armut" oder "sozialer Abstieg" auszeichnen.
Die Existenz dieser teilweise sehr ausgedehnten Trabantenstadtzonen, die Pariser Banlieue ist annähernd so groß wie das Saarland, lässt sich nur historisch erklären: Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wollten die politischen und wirtschaftlichen Eliten in Frankreich keine flächendeckende Industrialisierung des Landes, da sie Angst hatten, dies würde die "rote Gefahr" in alle Ecken Frankreichs tragen. Vielmehr wollte man die Industriezentren auf wenige Ballungsräume (rund um Lille, Paris, Lyon und Marseille) konzentrieren, um im übrigen Frankreich ländlich-konservative Sozialbeziehungen aufrecht zu erhalten. Damit sollte der "Virus der Revolution" auf überschaubare Zonen eingedämmt werden. Ein großer Teil der Industriearbeiter siedelte sich in diesen Trabantenstadtzonen an.
In den letzten 30 Jahren sind diese Banlieues vor allem durch den Niedergang traditioneller Industriezweige und den parallel dazu verlaufenden Anstieg der Massenarbeitslosigkeit geprägt. Gleichzeitig tendierten die Großstädte, vor allem Paris und Lyon (dagegen ist der Marseiller Raum anders strukturiert), immer stärker dazu, sämtliche Gruppen ihrer Armuts- oder "Problembevölkerung" in die sich ausdehnenden Trabantenstädte abzuschieben. Das Sortierungskriterium dabei war freilich kein (explizit) "ethnisches", sondern bestand schlicht und einfach darin, dass sich viele Menschen – darunter sicherlich sehr viele Einwanderer – das Leben in den bürgerlichen Kernstädten nicht leisten können.